Frühjahrstagung

Freikirchen und Judenfeindlichkeit

Mit dem Thema "Freikirchen und Antisemitismus. Zwischen Israel-Euphorie und Judenfeindschaft" befasste sich die Frühjahrstagung des Vereins für Freikirchenforschung (VFF).
Freikirchen Forschung

Die meisten Kirchen pflegen heute ein Verhältnis zu Israel und dem jüdischen Volk, das aus dem Bewusstsein der Herkunft des christlichen Glaubens aus alttestamentlich-jüdischer Gotteserkenntnis lebt. Hieraus ergibt sich eine theologische, aber auch sachliche und praktische Verklammerung, die Neutralität, desinteressierte Distanz oder gar Feindseligkeit gegenüber dem Judentum und seinen Lebensfragen nicht zulässt. Antisemitismus erscheint heute im Raum der Kirchen als undenkbare Absurdität.

Denkschema im Zeitgeist

Das war nicht immer so, auch in den Freikirchen nicht. Professor Wolfgang Heinrichs untersuchte freikirchliche Judenbilder. Er kam zu dem Ergebnis, dass freikirchliche Christen, wie andere Evangelische auch, in den Juden gleichzeitig Heilsbringer und Verderber gesehen hätten. Die Juden seien an ihrem Unglück selbst schuld, da sie Jesus gekreuzigt hätten und deshalb unter dem Fluch Gottes stünden. Ihr Unglück solle die Juden vorbereiten, um Jesus als Messias anzunehmen. Die Freikirchen hätten sich auch schon während des Kaiserreiches in Deutschland im Denkschema der übrigen Gesellschaft bewegt.

Desinteresse mit Folgen

Professorin Andrea Strübind referierte über das Verhalten der Freikirchen den Juden gegenüber im "Dritten Reich". In den Freikirchen sei ein Desinteresse an historischen Themen vorherrschend gewesen, so dass keine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit und bestimmtem Gedankengut stattgefunden hätte. Ausserdem habe die heilsgeschichtliche Deutung, dass das Judentum in Zukunft von Gott wieder gesegnet würde, zu einer Immunisierung gegenüber dem von Juden zu erleidenden Unrecht geführt. In den Freikirchen habe es durchaus warnende und kritische Stimmen vor der Machtergreifung der Nazis gegeben, die aber einer Passivität ab 1933 gewichen seien. "Der NS-Staat galt jetzt als die von Gott gewollte Obrigkeit, der man zu gehorchen hatte." Es habe daher keine offizielle Distanzierung von der Judenpolitik der NSDAP gegeben. Das Einsetzen für Judenchristen in Einzelfällen habe nicht die allgemeine Ausgrenzung jüdischer Gemeindeglieder verhindert.

Verein für Freikirchenforschung

1990 haben Theologen und Historiker aus verschiedenen Freikirchen den Verein für Freikirchenforschung gegründet. Laien und Fachleute riefen diesen in Deutschland einmaligen Zusammenschluss an der Universität Münster ins Leben. Initiator war Prof. Dr. Robert Walton, seinerzeit Direktor des Seminars für Neue Kirchen- und Theologiegeschichte der theologischen Fakultät Münster.

Heute hat der Verein für Freikirchenforschung Mitglieder aus 27 Denominationen. Fach- und Laienhistoriker aus 12 verschiedenen Ländern gehören ihm an. 180 Einzelpersonen und 21 Institute arbeiten Hand in Hand, um wissenschaftliches Arbeiten im Rahmen der Freikirchenforschung zu fördern.

Weitere Informationen über die Tätigkeit des VFF sind erhältlich auf der Homepage www.freikirchenforschung.de/sites/general/frame.html

Quelle: APD/Livenet

Datum: 06.04.2005

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