Ein Abbild von Jesus?

Das Gesichtstuch Jesu in der Kapelle von Manoppello. Direkter Lichteinfall lässt es fast transparent erscheinen. Paul Badde
Deutlich sind auf dem Stoff alle Einzelheiten eines geschlagenen Gesichts zu erkennen. Paul Badde
Ein Bild auf Muschelseide - eigentlich \"unmöglich!\" Paul Badde

Ein italienisches Bergdorf beherbergt ein geheimnisvolles altes Tuch mit dem lächelnden Gesicht eines Misshandelten. Laut dem Entdecker, Paul Badde, spricht einiges dafür, dass dieser Stoff aus dem Grab von Jesus stammt. Das wäre allerdings eine archäologische Sensation.

Seit über 400 Jahren hängt es kunstvoll eingerahmt in der Kapelle von Manoppello bei Pescara. Nachforschungen des Journalisten Paul Badde, Rom-Korrespondent der deutschen Zeitung "Welt", haben ergeben, dass es aus kostbarer Muschelseide besteht - und wohl das tatsächliche Angesicht des gekreuzigten Jesus bedeckt haben muss. Auf mysteriöse Weise hat es sich darauf abgebildet.

"Muschelseide lässt sich nicht bemalen oder bedrucken"

Gemalt ist es jedenfalls nicht. Es finden sich an den hauchdünnen Fäden keinerlei Farbreste. Das ist auch nicht möglich, denn das Gewebe besteht aus Byssus, dem kostbarsten Textil der Antike. Und diese Muschelseide lasse sich niemals bemalen oder bedrucken, wie Chiara Vigo aus Sardinien, die weltweit letzte lebende Verarbeiterin von Muschelhaftseide, versichert. Allenfalls könne man es färben, aber niemals bemalen. Den gleichen Bescheid erteilt die Universität Rostock. www.biologie.uni-rostock.de Badde war eigens mit Signora Vigo nach Manoppello gereist, um dieses Gewebe zu identifizieren. Und doch gibt dieses Tuch alle Einzelheiten eines menschlichen Gesichtes wieder: Wimpern, Zähne und noch frische Wunden.

Vor einigen Jahren schon wurde festgestellt, dass es deckungsgleich ist mit dem Antlitz auf dem Grabtuch von Turin. Aber erst die genaue Bestimmung des Stoffes macht es zur eigentlichen archäologischen Sensation. Katholische Volksfrömmigkeit setzt es mit dem "Schweisstuch der Veronika" gleich. Doch diese Hypothese ist abwegig. Viel eher könnte man darin jenes Tuch ("Soudarion") wiedererkennen, von dem im Auferstehungsbericht des Johannes die Rede ist und das "Jesu Haupt verhüllt" hat (Johannes 20,7).

"Nicht von Menschenhand gemalt", so beschreiben mehrere alte Überlieferungen dieses jahrhundertelang verschollene Tuch. Bis zur Mitte des letzten Jahrtausends zog es so Millionen Pilger nach Rom. Die Dichter Dante, Petrarca oder Marco Polo haben beschrieben, wie es den Menschen gezeigt wurde. Seit Innozenz III. haben die Päpste es ab 1208 einmal jährlich in einer feierlichen Prozession von Sankt Peter zur Kirche Santo Spirito in Sassia hin und zurück getragen. Ab dem 16. Jahrhundert wurde über dem Grundstein des neuen Petersdoms eine der vier Säulen, die neben dem Hauptaltar die Kuppel trägt, auch gleichzeitig als meterdicker Tresor dieser kostbarsten Reliquie der Christenheit eingerichtet.


Das rätselhafte Bild verschwand

Doch ausgerechnet seit jener Bauzeit verschwand das rätselhafte Bild aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit. Es blieb von ihm nur das Gerücht. Das geheimnisvolle Schleierbild von Manoppello nun entspricht allen überlieferten alten Angaben aufs genauste.

Inzwischen haben in Italien alle grossen Tageszeitungen über diese Entdeckung berichtet, zum Teil mit ganzseitigen Reportagen. Auch das italienische Fernsehen hat in seinen Nachrichten das Thema aufgegriffen. Journalisten und Theologen aus verschiedenen Ländern sind dabei, sich ein eigenes Urteil zu bilden, und reisen in die Abruzzen. Manoppello wird sich nun ändern. Und mit ihm - sollte sich die These des Entdeckers bewahrheiten - vielleicht auch manches Urteil über die Glaubwürdigkeit der Evangelien.

Weiterführende Links:
Paul Baddes Bericht auf Welt.de:
Das wahre Gesicht Jesu

Was ist Byssus?
Antworten aus Zoologie und Geschichte

Kommentar

Die Sehnsucht nach dem ultimativen Beweis ist verlockend

Von Bruno Graber

Das Schleierbild von Manoppello soll deckungsgleich sein mit dem Antlitz auf dem Grabtuch von Turin. Idealerweise wären damit noch heute beide Tücher zu bestaunen, die damals den Kopf von Jesus bedeckt hatten (Johannes 20, Verse 6 und 7). - Vorsicht ist jedoch geboten, bevor nicht genauere wissenschaftliche Untersuchungen erfolgt sind.

Die Geschichte des Turiner Grabtuch zeigt es. Seine Herkunft ist immer noch umstritten. Deshalb erkennt es die katholiche Kirche nicht als Reliquie an, sondern stuft es als Ikone (Heiligenbild) ein. Die Kirche hat also vorsichtig entschieden, denn die wissenschaftlichen Hinweise, wonach es sich bei diesem Grabtuch um eine mittelalterliche Fälschung handelt, sind erdrückend. Alle bisher präsentierten "Beweise" für die Echtheit des Tuches haben sich bei genauer Betrachtung als Irrtum oder Legende herausgestellt. Proben des Tuches wurden in Labors in Zürich, Oxford (England) und Tucson (Arizona) unabhängig voneinander und mehrfach mit der sogenannten C-14-Methode untersucht. Alle Resultate waren eindeutig. Das Tuch entstand demnach zwischen 1260 und 1390 nach Christus, was auch mit der Tatsache übereinstimmt, dass dieses Grabtuch vor dem 14. Jahrhundert nirgendwo erwähnt wurde.

Nun ist also ein anderes, verschollenes Grabtuch aufgetaucht. In welcher Beziehung steht es zu jener Fälschung? Weshalb ist es deckungsgleich? Wurde das Turinertuch vom "Original" aus Manoppello abgemalt? Oder sind beide unecht? Mysteriös und faszinierend zwar, aber trotzdem gefälscht?

Die Sehnsucht nach einem ultimativen Beweis für die christliche Lehre ist verlockend. Aber wie sagt die Bibel, Johannes 20 Vers 29 "Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!" Wichtiger ist doch die Chance, dass jeder Jesus für sich entdecken, mit ihm in Kontakt treten kann. Das ist der erprobte Beweis, der aber nur durch eine persönliche Erfahrung erlebbar wird.

Autoren: Paul Badde, Lothar Mack

Datum: 05.10.2004
Quelle: Livenet.ch

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