Täuferausstellung in Zürich

Amisch kommt von Amman

In Zürich ist im Rahmen des Bullinger-Jahres auch eine krasse Schattenseite der Reformation zu sehen: die Verfolgung und Unterdrückung der Täufer. In der Helferei beim Grossmünster lassen Tafeln das Leiden der Menschen ahnen, die im Machtbereich von Zürich und Bern ihren Glauben nicht leben durften. – Die Ausstellung, die auch das Leben von Amischen in den USA heute zeigt, läuft nur noch bis zum 15. September.
Eine Geschichte, die betroffen macht: Über zehn Generationen wurden taufgesinnte Menschen in Zürich und Bern verfolgt.
Informative Tafeln und Zeichnungen führen in die Welt der Amischen ein.
Die Männer einer Gemeinde bauen neue Scheunen gemeinsam.
Schmucklose Kleidung ist noch heute ein Kennzeichen der Amischen.
Jagd auf Täufer in Herrliberg bei Zürich im 16. Jahrhundert (zeitgenössische Darstellung)

Über 250 Jahre, von 1525 bis tief ins 18. Jahrhundert, wurden sie ausgegrenzt und bedroht, gejagt und eingekerkert, verhört und vertrieben. Viele tausend Täufer verloren Hab und Gut durch Konfiskation. Einige bezahlten für ihre Überzeugung, die sie nicht nur leben, sondern auch weitergeben wollten, mit dem Leben.

Zum Gedenken an jene Zeit wurde Ende Juni in Zürich eine Tafel an der Limmat eingeweiht; bei dem Anlass baten der Zürcher reformierte Kirchenratspräsident Ruedi Reich und der Stadtrat Robert Neukomm die Nachkommen der damals Verfolgten um Verzeihung.

Obrigkeitlicher Kampf gegen populäre Prediger

Die Ausstellung im Kulturhaus Helferei besteht aus drei Teilen. Im ersten gibt der Baselbieter Historiker Hanspeter Jecker eine Chronologie der Täufergeschichte im Machtbereich der Stände Zürich und Bern.

Die Reformation stand noch in den Kinderschuhen, als sich 1527 die Regierungen von Zürich, Bern und St. Gallen absprachen, wie sie die religiöse Volksbewegung unterdrücken wollten. Im selben Jahr wurde Felix Manz als erster Täufer in der Limmat ertränkt.

Pioniere der Glaubensfreiheit

Die Täufer gaben – fast 300 Jahre vor der Französischen Revolution – dem Glauben des Einzelnen, aus der Bibel gewonnen, Vorrang vor staatskirchlicher Lehre und staatlichem Regiment. Sie drangen auf die Taufe mit Bekenntnis und ein heiliges, gewaltloses Leben.

Dies brachte ihnen vor allem in Umbruchzeiten grossen, für die Mächtigen untragbaren Zulauf. Die Pfarrer wurden angewiesen, sie zurückzuholen in die Kirche. Im Bemühen, die Zürcher Reformation als respektabel zu erweisen, verdammte Zwinglis Nachfolger Heinrich Bullinger die täuferischen Lehren in einem Buch, das in europaweit gelesen wurde.

Ins Ausland und auf die Jurahöhen geflüchtet

Die Nachfahren der damals verfolgten Täufer heissen heute Mennoniten, nach dem holländischen Pastor Menno Simons, der im 16. Jahrhundert die versprengten, im Verborgenen lebenden Gruppen betreute und vernetzte. Bern suchte die Täufer zu vertreiben.

Um 1700 flohen viele Familien ins Elsass, in die Pfalz (später nach Nordamerika) und auch auf die Jurahöhen, die dem Fürstbischof von Basel gehörten. Das heutige Leben einer der dadurch entstandenen Mennonitengemeinde – jener auf dem Sonnenberg – dokumentieren ausdrucksvolle Schwarzweiss-Fotografien von Xavier Voirol. In der Schweiz zählen die Mennoniten derzeit etwa 2'500 Mitglieder.

Festgefügte Gemeinschaft: Amische in den USA

Den dritten Teil der Ausstellungen bilden Texte, Zeichnungen und Aquarelle von Brigitte und Eugen Bachmann-Geiser. Die Volkskundlerin und der Grafiker weilten in den 80-er Jahren bei den Amischen im US-Bundesstaat Indiana. Die Amischen nennen sich nach dem Simmentaler Täuferführer Jacob Amman, der um 1700 eine Spaltung unter den Täufern bewirkte.

Die Old Order Amish in den USA verzichten noch heute auf Auto, Strom von Kraftwerken und moderne Maschinen. Ihr Gemeinschaftsleben in fest gehaltenen Traditionen schildern die Texte; die Zeichnungen (Amische lassen sich nicht gern fotografieren) zeigen die urtümliche Kargheit des Alltags, welche als Kontrast zur Überflussgesellschaft fasziniert.

Achtung! Die Ausstellung in der Helferei ist nur noch bis zum 15. September 2004 zu sehen. Öffnungszeiten: Mo - Fr, 8.00 - 22.00 Uhr; Samstag 9.00 - 18.00 Uhr


Datum: 08.09.2004
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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