Warum es Gott geben muss

Muss man Gott beweisen?
Robert Spaemann

Muss man Gott beweisen? Nein. Aber man kann. Das zumindest meint der bekannte Philosoph Robert Spaemann. Er hat ein Buch vorgelegt, in dem er erklärt, warum es Gott geben muss.

Robert Spaemann, geboren 1927, ist einer der weltweit renommiertesten Philosophen unserer Zeit. Von 1969 bis 1992 lehrte er als Professor für Philosophie in Heidelberg und an der Universität München, in zahlreichen Büchern und Beiträgen nahm er Stellung auch zu ethischen Themen. In einem kleinen Band veröffentlichte der Pattloch Verlag nun einen Vortrag Spaemanns, in dem er nichts weniger als den neuerlichen Versuch unternimmt, Gottes Existenz zu beweisen.

Gegen die rein wissenschaftliche Erklärung der Welt

Spaemann nimmt sich in seinem "Letzten Gottesbeweis" insbesondere den so genannten Szientismus, die rein wissenschaftliche Weltanschauung und Erklärung unserer Existenz, vor. "Eine plötzliche grundlose Entstehung einer Welt aus nichts denken zu müssen, enthält eine Zumutung an die Vernunft, die alle anderen Zumutungen in den Schatten stellt", schreibt er. Und: "Glauben, dass Gott ist, heisst, dass er nicht unsere Idee ist, sondern dass wir seine Idee sind. Es bedeutet also Umkehr der Perspektive, Bekehrung."

Wer die Existenz des Menschen in einer rein wissenschaftlichen Weltanschauung begründen will, verschliesse die Augen vor den Hinweisen auf Bedeutung und Sinn in dieser Welt. Ähnlich wie in Werken von Johann Sebastian Bach, so Spaemann, in denen einzelne biblische Verse oder Botschaften "versteckt" sind, sei auch die "Doppelcodierung" dieser Welt offensichtlich. Gottes Schöpfung zeige sich also in vielen Details – was auch schon Paulus im Römerbrief in der Bibel geschrieben habe. Die rein wissenschaftliche Erklärung der Welt wolle diese "Doppelcodierung" allerdings nicht wahrhaben und gehe von vornherein davon aus, dass eben kein Schöpfer existiert. Dieses Postulat allerdings ignoriere eine wesentliche Ebene der Erklärung der Welt.

Eine Sonate von Bach könne rein musikalisch analysiert und interpretiert werden, so Spaemann. Aber wer, "von dem Gerücht geleitet, mit einem anderen Dekodierungsschlüssel herangeht", entdecke plötzlich einen verschlüsselten Text oder Vers, den der Komponist in seinen Werken verborgen habe.

"Dogmatische Vorentscheidungen" gegen Gott

Ähnlich sei dies bei den Versuchen, die menschliche Existenz zu erklären. Wer dem Pluralismus der Welt gegenüber die Augen verschliesse – also der wissenschaftlichen Erklärung einerseits und der Existenz Gottes andererseits – "setzt eine dogmatische Vorentscheidung voraus, zu der sich ein angesehener materialistischer Bewusstseinstheoretiker wie Daniel Dennett auch offen bekennt, wenn er schreibt, er lasse sich durch kein wie immer geartetes Argument dazu bringen, den Pluralismus auch nur in Erwägung zu ziehen".

Gott abgeschafft

Doch kann der Mensch sich überhaupt Gottes Existenz erklären? Auch über diese Frage schreibt Spaemann. Den ersten grossen Schlag gegen die Argumente für die Existenz Gottes wurde geführt von Immanuel Kant (1724-1804). Sein Hauptwerk "Kritik der reinen Vernunft" aus dem Jahr 1781 ist der Wendepunkt in der Frage nach der Erklärbarkeit des Glaubens. Der Mensch könne mit seinem Verstand Gott nicht fassen und erklären. "Ich musste das Wissen einschränken, um für den Glauben Platz zu schaffen", so Kant. Und meint damit unmissverständlich: Der Glaube ist nicht greifbar und erklärbar.

Später kam der lutherische Pfarrerssohn Friedrich Nietzsche (1844-1900) mit seinem "Gott ist tot"-Postulat. Doch der Philosoph behauptete noch mehr: Dass der Mensch nämlich grundsätzlich nicht fähig ist, durch seine Vernunft eine Wahrheit zu erkennen. Und wenn wir Wahrheit nicht verstehen können, gibt es folglich auch keine Wahrheit – denn Gott ist tot, und er kann daher keine Wahrheit vorgeben. Bis heute argumentieren die Gross-Kritiker des Glaubens so, Kant und Nietzsche sind lebendiger denn je. Deren Ideen werden von Dawkins oder Dennett publikumswirksam verbreitet - dass der Glaube nämlich eine Erfindung des Menschen sei.

Spaemann: Es muss letztgültige Wahrheit geben

Spaemanns Gottesbeweis setzt bei Kant und Nietzsche an. Der Mensch ist durchaus "wahrheitsfähig". Und Wahrheit setze die Existenz Gottes voraus. Menschen sind nicht nur "Maschinen zur Verbreitung unserer Gene", kein "evolutionäres Anpassungsprodukt", das mit Wahrheit nichts zu tun hat.

Spaemann erklärt, dass etwa Ereignisse auch dann noch Wahrheit sind, wenn sich Menschen nicht mehr an diese Ereignisse erinnern. Wenn Menschen also die Wahrheit mit ihrem Verstand oder ihrer Vernunft nicht mehr fassen können. Wahrheit bleibt aber ein Fakt, dass etwa an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit ein Ereignis stattgefunden hat. Wenn sich diese Wahrheit jedoch dem Menschen entzieht, er sie nach vielen Jahren und Jahrzehnten nicht mehr erinnern und fassen kann, dann ist diese Wahrheit dennoch Fakt. Und aus diesem Grund muss es eine letztgültige Wahrheit geben – die Gott voraussetzt. Denn Wahrheit ist unabhängig von menschlichem Denken und Urteilsvermögen.

Robert Spaemann/Rolf Schönberger, Der letzte Gottesbeweis, Pattloch, 128 Seiten, 12,95 Euro.

Autor: Andreas Dippel
Bearbeitung: David Sommerhalder, Livenet.ch

Datum: 13.09.2007
Quelle: PRO Medienmagazin

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