Viele Muslime tendieren Richtung Scharia

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Immerhin machte das Eidgenössische Departement des Äussern (EDA) einen Versuch, das Thema in die Diskussion zu werfen. In der letzten Ausgabe (3/2002) der hauseigenen Zeitschrift "schweiz global", brachte das Departement ein Dossier zum Thema "Islam-Islamismus". Darin sagt der kritische islamische Denker und Schriftsteller Nasr Abû Zaid, der wegen Morddrohungen in muslimischen Ländern im Exil in den Niederlanden lebt, dass es letztlich Anliegen jedes Muslims sein müsse, auch für den islamischen Staat – also einen Staat mit Scharia-Gesetz – einzustehen. "Wird kein Islamischer Staat errichtet, so ist jeder einzelne Muslim vor Gott für dieses religiöse Versäumnis verantwortlich. So predigen nicht nur die Vertreter radikal-islamischer Gruppen, sondern auch so genannt ‚Gemässigte‘", lautet die Analyse von Zaid im Artikel "Welche Zukunft für den Islam?"

Kampf für ein "Land des Islam"

Andreas Maurer, Islamspezialist und wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Islamfragen, bestätigte diese Aussage des moslemischen Schriftstellers gegenüber idea auf Anfrage. Das Endziel der Muslime sei wohl, dass jeder Staat auf der Welt ein islamischer Staat sein soll. Maurer verweist in diesem Zusammenhang auf die islamische Terminologie, die zwischen dem ": Dar al-Harb (Land des Krieges), Dar al-Islam (Land des Islam) unterscheidet. Auch wenn die Gemässigten dies wohl nicht in den Vordergrund stellen, sei jeder Muslim aufgefordert, für den Islam aktiv zu werben und auch den Islam territorial zu verbreiten.

Kein Säkularismus

Zaid spricht zwar davon, dass es auch einen modernen, wandlungsfähigen Islam gebe, wie er etwa in der Türkei oder in liberalen Strömungen im Iran zu finden sei. Dennoch scheint der im Exil lebende Gelehrte nicht an die Zukunft dieses modernen Islams zu glauben. Es herrsche nämlich in fast allen muslimischen Ländern "weiterhin der dogmatische Islam vor, für den Islam und Säkularismus unvereinbar sind". Nach dem 11. September sei die Beziehung zwischen dem Westen und der muslimischen Welt auf den Stand der Kolonialzeit zurückgefallen. Der Islam werde wohl in eine Richtung gehen, in der die Fortschritte zunichte gemacht werden, die im Verlauf des 20. Jahrhunderts in einem Prozess des Dialogs und des gegenseitigen Verstehens zwischen Nationen, Kulturen und Religionen erreicht wurden, sagte Abu Zaid.

Diese Aussage sei vermutlich richtig, kommentierte Maurer gegenüber idea. Denn die Scharia – oder der eigentliche Islam – erdulde nur eine temporäre Kompromissbereitschaft. "Wenn der Islam erstarkt, dann werden vermutlich alle Dialog-Bemühungen zunichte gemacht, weil sie dem Sinn des Islam nicht mehr dienlich sind", glaubt Maurer Der eigentliche Islam werde schlussendlich den Fortschritt erdrücken, "weil der Islam ja nur in der Kultur und Religion der Zeitepoche von Mohammed (600 n. Chr.) gültig ist".

Datum: 19.07.2002
Autor: Thomas Hanimann
Quelle: idea Schweiz

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