Wiederkunft Christi

Die Wiederkunft Christi ist ein Hauptthema des Neuen Testaments   von den Reden Jesu bis zur Offenbarung des Johannes

Für Wiederkunft steht im griechischen Text parusía. Das bedeu­tet eigentlich ein (plötzliches) Zurstellesein, dann Ankunft, Advent. Luther übersetzt: Zukunft, manchmal auch: Erschei­nung.

Die Frage der Jünger: »Welches wird sein das Zeichen deiner Wiederkunft und des Endes dieses Zeitlaufs ?« (Matth. 24,3) stammt nicht aus frommer Neugier. Es war eine ernste Glaubensfrage, und sie war den Jüngern nicht nur durch das unmittelbar vorhergehende Gespräch nahegelegt.

Der Hin­weis auf seine Wiederkunft war in den Reden Jesu so konsequent und nachdrücklich wiedergekehrt wie das Thema in einer Fuge:

  • »Handelt, bis dass ich wiederkomme« (Luk. 19,12-15).
  • »Es wird geschehen, dass der Menschensohn (Welterneuerer) kommt in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen Engeln, und dann wird er einem jeden vergelten nach seinem Tun« (Matth. 16,27).
  • »Dann wird erscheinen das Zeichen des Menschensohnes am Himmel. Und dann werden heulen alle Geschlechter auf Erden und werden sehen kommen den Welterneuerer (Menschen­sohn) in den Wolken des Himmels mit grosser Kraft und Herr­lichkeit« (Matth. 24,30).
  • »Wer sich aber meiner und meiner Worte schämt ..., dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er kommen wird in der Herrlichkeit seines Va­ters mit den heiligen Engeln« (Mark. 8,38).
  • »Selig sind die Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend findet ... Seid auch ihr bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, da ihr's nicht meint« (Luk. 12,37-46).
  • »Doch wenn der Menschensohn kommen wird, meinst du, er werde auch Glauben finden?« (Luk. 18,8)

Immer kehrt die Mahnung wieder, die Jünger sollen wachen, weil sie nicht wissen können, wann ihr Herr kommt (Mark. 13,33-37; Matth. 24,42.44.50).

Die Wiederkunft Christi bringt den neuen Weltlauf

Dass Christus wiederkommt, bedeutet für die Jünger nicht bloss ihre persönliche Wiedervereinigung mit ihm. Es ist ein Ereignis von Weltbedeutung. Denn Christus kommt, um das neue Welt­zeitalter, die neuen Weltzustände heraufzuführen (Matth. 24,3).

Wenn Christus kommt, wird die Welterlösung vollendet (Luk. 21,27. 28). Christus hat seinen Jüngern keinen Dorf- oder Kleinstadthorizont gegeben. Nicht das war ihr Ausblick, dass hier und da aus dem Weltverderben einige Seelen errettet und der Gemeinde angegliedert werden. Die Welterneuerung war es, auf die er ihren Blick lenkte. Sie war das Ziel ihres Glaubens.

Wir können uns heute keine Vorstellung mehr davon machen, mit welch einer gesammelten Kraft die urchristliche Gemeinde auf dieses Ziel gerichtet war.

Die Überzeugung von der Hoffnungslosigkeit dieser Weltzustände und die grosse Hoffnung auf den zweiten Advent Christi gaben dem Leben der ersten Gemeinde das Gepräge

Der Blick auf die Wiederkunft Christi mit dem, was sie bringt, war hier durchaus nicht nur Sache der Andacht. Die Lebenshal­tung der Gemeinde war von Anfang bis zum Ende davon be­stimmt.

So bedingungslos die Christen der Apostelzeit bereit sind zum Dienst an jedermann und so sehr es ihnen eine Ge­wissenssache ist, dem Staat zu geben, was des Staates ist, und wo es gilt, auch im öffentlichen Leben mitzuhelfen: sie bauen sich in keiner Weise ein in die Zustände dieser Weltzeit. Sie wissen, dass sie nicht zu bessern sind.*

Der Menschheit kann nur geholfen werden, wenn diese Weltzustände aufhören, wenn an Stelle der dämonischen Grundrichtung die göttliche tritt. Darum sind die ersten Christen immer im Aufbruch. So wie ihr Meister ihnen befohlen hatte: »Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen und seid gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten« (Luk. 12,35.36).

Die wartende Gemeinde war frei von den Kleinigkeiten und von den Grössen dieses Weltlaufs

Die sogenannte »Apostellehre« hat uns ein Gebet aus jener Zeit überliefert, das mit den Worten schliesst: »Es vergehe dieser Weltlauf, es komme deine Herrschaft!«

Das bürgerliche Beha­gen, das sich gemächlich hier niederlässt und dessen stilles Ideal das tatenlose Beharren in überlieferten Zuständen ist, das Sichverbeugen vor den Grossen dieser Welt, das Preisgeben eines Stücks Eigendaseins der Gemeinde nach dem andern aus dem Wunsch der grösseren Sicherung ihres Daseins, das Sich-ein­spannen-Lassen in den Dienst einer regierenden Klasse, das Unterschreiben politischer, wirtschaftlicher, kultureller Pro­gramme derart, dass man einer kleinen Gruppe nähertritt, allen andern aber fremd wird - das alles kannte die Gemeinde nicht, solange sie eine wartende war.

Das Aufhören der Erwartung macht die Gemeinde unfähig zum Dienst - und umgekehrt

Das Leben der Christenheit wird den Charakter bürgerlicher Behäbigkeit erst wieder verlieren, sie wird den Weg zu den Obdachlosen und zu allen, die in der heutigen bürgerlichen Welt nicht mehr zu Hause sind, erst wieder finden, wenn sie ihren Blick dem kommenden Herrn zuwendet.

Gerade unser Gebundensein an diese Weltzustände hat uns unfähig gemacht, der Welt zu dienen. Christus hat es klar vorhergesagt, dass in dem Moment der soziale Riss in seiner Gemeinde da sein wird, wo die Erwartung seines Kommens aufhört (Luk. 12,45).

Mit dem Augenblick, wo die Gemeinde das wieder sieht, was sie zur Zeit des Neuen Testaments sah: die rettungslose Nichtigkeit dieser Weltzustände samt allen ihren Unternehmungen, wird sie wie­der mobil werden. Dann wird keine Macht der Welt sie in ihre Dienste spannen können.

In dem Masse, als die Spannung auf den kommenden Herrn wieder über uns kommt, werden wir wieder eine Haltung finden, die seiner Kirche würdig ist.

Die Wiederkunft Christi, das Ziel des Geschichtsablaufs

Wir hatten die Augen dafür verloren, aber wir beginnen es wieder zu sehen, wie in der neutestamentlichen Gemeinde alles abzielt auf den bevorstehenden Tag des Herrn, angefangen von der Lebensführung des schlichten Gemeindegliedes bis zu den Entscheidungen in den wichtigsten Fragen des Gemeindelebens.

Es ist im Arbeitsbereich der Theologie nicht mehr unbekannt, dass das Vaterunser von Anfang bis zu Ende auf die Wiederkunft Christi blickt. Wo aber haben wir eine Gemeinde, die mit dieser Blickrichtung das Vaterunser betet, die mit dem Ruf ihrer Sehnsucht die Wiederkunft Christi heranzieht (»beschleunigt«, 2. Petr. 3,12)?

Die christliche Gemeinde kann es nicht län­ger verantworten, dass sie einer an allem verzweifelnden Welt die Hoffnung des Neuen Testaments nicht ansagt: Christus kommt und macht allen Wirren ein Ende und nimmt das Schicksal der Völker in seine Hände.

Wir waren bisher zu kom­pliziert. Wir hatten so tausenderlei gelesen und gefielen uns in Problemen; die grossen, klaren Linien der Bibel waren uns zu einfach. Aber die Zeit ist nicht mehr fern, wo wir gern verzichten werden auf Berge von Büchern und uns an ein paar Grundlinien genügen lassen für unsere Weltanschauung.

Die Bibel beginnt mit den Worten: »Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.« Und sie schliesst mit dem Ruf: »Komm, Herr Jesus!«

* Siehe den Artikel zu «Welt».

Datum: 09.12.2009
Autor: Ralf Luther
Quelle: Neutestamentliches Wörterbuch

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