Neues Testament

Jesu Wort vom Neuen Testament nimmt Bezug auf eine Stelle im Propheten Jeremia

Bei der Stiftung des Abendmahls sagt Christus: »Dieser Kelch ist das Neue Testament in meinem Blut« (Luk. 22,20; 1. Kor. 11,25). Für Neues Testament steht hier im Urtext derselbe Ausdruck, der im griechischen Alten Testament an der berühmten Jeremiastelle 31,31-34 vorkommt und dort mit »neuer Bund« zu übersetzen ist.

Auf dieses Jeremiawort bezieht sich Jesus bei der Einsetzung des Abendmahls. Er spricht damit aus, dass mit seinem Tod der vom Propheten geschaute neue Bund beginnt. Was er vom Neuen Testament sagt, will daher von dieser Stelle her verstanden

Die Grundlage des alten Bundes war das Gesetz, die Grundlage des neuen ist Christus

Der alte Bund hatte zur Grundlage das Gesetz, er beruhte mithin auf Zwang (Jer. 31,32). Er konnte daher im ganzen nur mehr oder weniger äusserliche Beziehungen des Menschen zu Gott zeitigen. Trotz unablässigen Lehrens kam es zu keiner klaren Gotteserkenntnis, trotz ewig wiederholten Mahnens und Strafens zu keinem Gehorsam.

Der neue Bund, den Gott in Christus begründet, hat zur Grundlage die Nähe Gottes, die unmittelbare Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch (»ich ihr Gott, sie mein Volk«), die Vergebung der Sünden und die daraus stammende überquellende Freiwilligkeit und Leichtigkeit im Tun des göttlichen Willens.

Im neuen Bund kommt es zur neuen Schöpfung, so dass des Menschen innerste Art dem Gesetz Gottes entspricht (Jer. 31,33). Es bedarf daher keines Zwanges mehr. Wo man aus übervollem Herzen dient und liebt, wo man selig ist in seinem Tun, da ist Neues Testament. Wo man sich das Gute mühsam abringen muss, da ist Altes Testament.

Es ist im neuen Bund auch nicht mehr so, dass durch das mühsame Vorhalten überlieferter Lehrvorstellungen überhaupt erst ein blasser Schimmer einer Gotteserkenntnis entstände. Bei Menschen, die Gott nahe sind, gibt es ein Gotterkennen mit allen Farben der Anschauung, mit aller Lebhaftigkeit des Erlebens. »Es wird keiner den anderen lehren noch sagen: ›Erkenne den Herrn‹, sondern sie sollen mich alle erkennen, spricht der Herr« (Jer. 31,34).

Einem Sohn, der zu Hause lebt, braucht man keine Vorträge darüber zu halten, wie sein Vater ist. Eine Gemeinde, die den Allmächtigen persönlich kennt, weil er unter ihr gegenwärtig ist, braucht keine studierten Reden über Gottes Art und Eigenschaften oder über das Wesen des Christentums.*

Das Bibelwort erhält erst Sinn und Leuchtkraft durch die Nähe des Schöpfers

Auch das Bibelwort als solches vermag keine Gotteserkenntnis zu wirken; es entfaltet seine Leuchtkraft erst, wenn es vom Geist beseelt ist. Paulus sagt: das Studium des blossen geschriebenen Bibelwortes tötet (2. Kor. 3,6).

Menschen, die nur die Bibel haben, aber keinen Geist, verlieren immer mehr ihre ursprünglichen Lebenskräfte und den ursprünglichen Sinn dafür, was göttlich ist. Aber der Geist macht lebendig. Wo durch den Geist unmittelbare Berührung mit dem Schöpfer gegeben ist, da bekommt das Bibelwort Sinn und Kraft und wirkt nun belebend.

Die Atmosphäre des neuen Bundes ist der Geist Gottes. Wo Gott dem Menschen begegnet, dass er ihn unmittelbar kennenlernen kann, da ist Neues Testament. Wo man bloss Lehrvorträge hört und die Bibel studiert, da ist Altes Testament.

* Der Verlag ist sich bewusst, dass die Aussagen dieses Abschnitts zum alten Bund und zum Gesetz nach den Einsichten neuerer Theologie weder dem Selbstverständnis des Alten Testaments noch dem des ersten Bundes gerecht werden.

Dazu etwa Hartmut Gese in seinen Aufsätzen »Das Gesetz« und »Das biblische Schriftverständnis« in »Zur biblischen Theologie«, München 1977. Hier, und nicht nur hier ist in fruchtbarer Weise die Forderung aufgenommen, die Gerhard von Rad in seiner »Theologie des Alten Testaments« schon 1960 formuliert hat: »Wir müssen uns vom Alten Testament erst wieder neu sagen lassen, was für Israel ›Gesetz‹ war und in welchem Verhältnis dieser fordernde und Israel verklagende Wille Gottes zu seinem Gnadenhandeln stand. Denn diese Frage ... ist in den zusammenfassenden Werken des 19. und 20. Jahrhunderts kaum mehr theologisch-grundsätzlich aufgeworfen worden.« (dbd. Bd. II, S. 403f)

Und: »Auch das Alte Testament kennt Gottes Offenbarung teils als zuvorkommende Gnade, teils als Forderung an den Menschen.« (ebd. S. 403).

Mit diesem Hinweis konnte der Verlag sich entschliessen, den Abschnitt unverändert wiederzugeben, dessen Überschrift heute lauten müsste: »Die Grundlage des alten Bundes ist die Offenbarung Gottes am Sinai und in der Tora; die Grundlage des neuen ist die Erfüllung dieser Offenbarung und der Tora in Jesus Christus.«

Datum: 09.12.2009
Autor: Ralf Luther
Quelle: Neutestamentliches Wörterbuch

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