Herr

Die Jünger nennen Jesus Herr zunächst als ihren Lehrer

Der griechische Ausdruck kyrios bedeutet im allgemeinen einen, der Macht, Hoheit, Verfügungsrecht hat, der etwas besitzt. In diesem Sinn spricht Jesus im Gleichnis vom Herrn des Weinbergs (Matth. 20,8), vom Herrn der Ernte (Matth. 9,38), vom Herrn des Hauses (Mark. 13,35). »So ist der Menschensohn ein Herr auch über den Sabbat«, das heisst, er steht über diesem Gebot, kann es auch aufheben (Mark. 2,28).

Die Anrede »Herr« galt auch zur Zeit Jesu als Ehrenbezeigung; sie war ein Titel. Nur dass man damals nicht wahllos jeden Menschen so anredete, sondern nur solche, die eine Macht- und Autoritätsstellung hatten. So wurden die Rabbinen von ihren Schülern Herr genannt. Ganz im Rahmen dieses Schüler-Lehrer-Verhältnisses liegt es zunächst, wenn die Jünger Jesus Herr nennen (vgl. Matth. 8,25; 16,22; Luk. 9,54; Joh. 13,6.9.13 und an anderen Stellen).

Der griechische Ausdruck kyrios ist im griechischen Alten Testament die Bezeichnung für Gott

Der Ausdruck kyrios steht im griechischen Alten Testament fast überall für Gott (für die hebräischen Bezeichnungen: Adonai, Elohim, Jahve, Jah), und so steht auch im Neuen Testament Herr vielfach für Gott (»Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde«, Matth. 11,25 und öfters).

Im Neuen Testament wird manchmal der (erwartete oder gekommene) Messias Herr genannt (vgl. Luk. 1,43; 2,11; Matth. 21,3; Mark. 11,3 und andere).

Herr heisst von der Apostelgeschichte an der in völlige Machtstellung erhöhte Jesus

In der Apostelgeschichte, den Briefen, der Offenbarung ist »Kyrios« die Bezeichnung für den in die völlige göttliche Machtstellung erhöhten Jesus, und das ist dann in der Urgemeinde eigentlich überhaupt die Bedeutung von Herr.

Petrus sagt: »Diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt, hat Gott zum Herrn und Christus gemacht« (Apg. 2,36). Paulus schreibt: »Darum hat Gott ihn auch erhöht und hat ihm den (Herren-) Namen gegeben, der über allen Namen ist« (Phil. 2,9). Dasselbe sagt der Auferstandene: »Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden« (Matth. 28,18).

»Christus - der Herr« ist im Neuen Testament eine durch und durch praktische Aussage

Paulus sagt: Davon überführt sein, dass Jesus nun diese absolute göttliche Machtstellung hat, kann man nur durch den Heiligen Geist, also dadurch, dass man in unmittelbaren Kontakt, in persönliche Berührung mit diesem Jesus kommt (1. Kor. 12,3). So war es ihm selbst gegangen (Apg. 9,1-6).

Wenn dann die Apostel und die Gemeinden immer von Christus, dem Herrn, sprechen, so ist ihnen das nicht so sehr ein Lehrsatz, ein Dogma, dessen Anerkennung sie anderen zumuten, sondern es ist ihnen etwas ungeheuer Praktisches. Christus ist als der Herr über sie gekommen und hat sie mit Beschlag belegt für seinen Dienst (»ergriffen«, Phil. 3,12). Sie können nun nicht mehr anders als sich ihm zur Verfügung stellen, und sie erfahren es auch, dass er über sie verfügt, sie leitet, sie versorgt, ihnen Vollmacht gibt und sie auf unerhörte Weise schützt.

Ihnen liegt nicht daran, einen Glaubensartikel über Christus durch religiösen oder moralischen Druck durchzudrücken, sondern Menschen in Berührung zu bringen mit Christus, damit auch sie befreit werden von der Fremdherrschaft des Bösen und ihrem rechtmässigen, angestammten göttlichen Herrn zufallen.

Datum: 10.12.2009
Autor: Ralf Luther
Quelle: Neutestamentliches Wörterbuch

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