NT-Wörterbuch

Beruf, Berufung

Berufung ist ein ganz eigentliches Gerufenwerden

Mit diesem Wort ist im Neuen Testament das gemeint, was es besagt: dass jemand von einem andern zu etwas gerufen ist; zu einer Arbeit, zu einem Stand, zu einem Fest.

Die Jünger beschliessen nicht bei sich, das Reich Gottes auszurufen, Jesus beruft sie dazu (Mark. 6,7). Jesus selbst wartet im verborgenen und geht dem Handwerk seines Vaters nach, bis er berufen wird zum Werk Gottes (Mark. 1,9ff.). Paulus ist zum Apostel berufen; ganz entgegen seiner bisherigen Grundrichtung ergeht an ihn von oben die Weisung, das Evangelium unter die Völker zu tragen. Der Ruf kommt vom Himmel her (Hebr. 3,1). Die Gemeinde ist berufen zum Reich Gottes (1. Thess. 2,12), von der Finsternis zum göttlichen Licht und zur Gemeinschaft seines lieben Sohnes, zu seinem Eigentum.

Überall hier ist die Rede von einem ausdrücklichen persönlichen Rufen, welches zur Folge hatte, dass Menschen aus einem Zustand in einen andern, aus einer bisherigen Richtung in eine neue versetzt wurden.

Berufung ist das Gegenteil von Selbstbestimmung oder eigener Wahl

Im Neuen Testament ist die Sprache noch nicht so ihres ursprünglichen Sinnes entleert, dass dort eine Arbeit, die jemand sich selbst aussucht, ein Beruf genannt würde. Wir sprechen von »Berufswahl«. Das wäre im Sinne des Neuen Testaments ein hölzernes Eisen.

Was man sich wählt, ist eben kein Beruf. Einen Beruf kann man nur haben infolge einer Berufung, eines Rufs, der von aussen kam. Nachträglich kann man sich dann entscheiden, den Ruf anzunehmen oder abzulehnen, aber vor dem Ruf oder ohne ihn kommt man nicht in den Stand, zu dem man eben nur berufen werden kann.

Ein Glied der Gemeinde, ein Diener Christi, ein Träger des Reiches Gottes kann man nicht werden, weil man in sich einen Trieb dazu fühlt oder sich dazu entschlossen hat, ebensowenig wie man heute Professor an einer Universität werden kann, weil man sich dazu gedrungen fühlt: es gehört ein Ruf dazu.

Unter Berufung wird überall im Neuen Testament nicht etwas verstanden, was man sich vorstellt, sondern etwas, was man vernimmt; nicht etwas, was man aus sich heraussetzt, sondern was an einen herantritt; nicht etwas Abstraktes, sondern etwas Konkretes; nicht ein Gedankending, nicht ein blosses »Erlebnis«, sondern ein Ereignis.

Berufung ist nicht ein Vorgang innerhalb der menschlichen Person, sondern ein Überwältigtwerden von einer höheren Person. Das Ereignis der Berufung ist um so gewaltiger, je grösser das Werk ist, zu dem einer berufen wird (Berufung Jesu, des Paulus, der ersten Dreitausend zu Pfingsten). Wer wird berufen? Zuerst das Volk Israel, dann die Heiden, nicht viel Weise, aber Mühselige und Beladene.

Datum: 10.12.2009
Autor: Ralf Luther
Quelle: Neutestamentliches Wörterbuch

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