Advent – die grosse Wende (II)

Gott und Wilhelm Tell oder: Das Ende eines Mythos

Gott ist für viele Leute ein Gedanke, ein Begriff, «irgendwas da oben». In einer Wochenzeitung war vor kurzem zu lesen: «Die Naturgesetze sind letztlich Gott». Advent räumt auf mit diesen Mythen.
Die Apfelszene bei den Tellspielen in Interlaken.

Gott ein «Mythos»?

Nicht wahr: wir wollen gern jemanden, der über uns wacht. Ein höheres Wesen, das irgendwie «da oben» regiert. Wir wollen aber keinen, der zu deutlich wäre. Gott als «Kosmisches Prinzip»? Gut! «Weltseele»? Gut! Wir können es nennen wie wir wollen – so lange es nicht zu konkret ist. Gott darf einfach mit uns nicht zu viel zu tun haben, geschweige denn dreinreden. Wir sind enorm bemüht, diesen Gedanken «Gott» in der Schwebe zu halten. Wir haben ein echtes Interesse daran, ihn als «Mythos» zu behandeln. Ein Mythos ist so etwas wie die griechische Sage: man kann etwas davon lernen, aber in der Geschichte hat das nie stattgefunden. Oder, uns etwas näher, wie Wilhelm Tell: keiner weiss, ob er gelebt hat; aber dass er den Apfel geschossen hat, das ist klar.

Weihnachten: Gott wird ärgerlich real

Wir haben unsere Mechanismen entwickelt, uns Gott vom Leibe zu halten, und ihn weit weg im Himmel platziert. Weihnachten ist von daher geradezu ärgerlich und räumt gründlich mit all unseren Mythen auf: «Gott» wird Fleisch und Blut. «Das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns» (Die Bibel, Johannes-Evangelium, Kapitel 1 Vers 14) bedeutet: «Aus dem blossen Begriff wurde eine Wirklichkeit aus Fleisch und Blut, die bei uns eingezogen ist» Gott wird berührbar und erfahrbar. Der Schöpfer klopft persönlich an die Tür, und obwohl ihn die Leute nicht wollen und kein Platz für ihn vorgesehen ist, kommt er trotzdem. Seitdem ist Gott ein Faktum.

Der zurückhaltende Gott

Gott ist an Weihnachten in diese Welt eingezogen – und zwar nicht als «Herr», der alles dominiert, sondern auf eine unglaublich zurückhaltende, ja verwechselbare Art. Nachdem der kurze Weihnachtsglanz vorbei war, lebte dieses Baby Jesus als Kleinkind, Schulkind, Heranwachsender, Lehrling und Berufsmann 30 Jahre lang praktisch unerkannt unter uns. Jesus machte sich jeden Tag die Hände schmutzig und lebte total ein Leben der unteren Mittelklasse in Israel. Er durchlebte all unsere Probleme und Versuchungen – nur ohne zu sündigen. Er war so wie alle anderen – und total anders. Menschen rätselten, was mit diesem Mann los war. Aber wer sich ihm öffnete, den liess er nie wieder los.

Der erfahrbare Gott

Wenn das stimmt, wenn in Jesus Gott historisch geworden ist, dann ist er in unserer Welt drin. Ist uns nahe. Advent bereitet uns darauf vor. Gott hat einmal zum Anfassen in unserer Mitte gelebt. Er kennt das Menschenleben aus eigner Erfahrung. Und auch wenn wir ihn heute nicht mehr so sehen und anfassen können, ist er unsichtbar höchst real. In der Adventszeit sagt Gott: «Ich möchte dich gern kennenlernen. Ich bin an dir interessiert. Du kannst mich erfahren. So wie Jesus war, so bin ich.»

Ein Mythos kann uns nicht helfen, weil er eine menschengemachte Konstruktion ist. Ein Herrgott, der irgendwo hinter den 7 Bergen hockt, auch nicht. Aber ein Gott, der Mensch wurde, kann helfen und eingreifen. Er hat eine neue Geschichte angefangen, durch die bis heute Millionen von Menschen verändert worden sind. Verstehen wir jetzt, warum Advent solch eine aufregende Zeit ist?

Datum: 09.12.2014
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet

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