An ein Leben nach dem Tod glauben

Der bekannte Wiener Theologe P. M. Zulehner sagte in einem Fernsehinterview: „Früher haben die Menschen vierzig Jahre plus die Ewigkeit gelebt. Heute leben sie nur noch 80 und mehr Jahre.“ Er meinte damit: Die Lebenserwartung der Menschen früherer Zeiten war gering, jedoch lebten sie die kurze Zeit ihres irdischen Lebens mit der Erwartung auf ein ewiges und glückliches Leben bei Gott.

Heute leben die Menschen länger, aber sie wagen kaum mehr einen Ausblick auf das Leben nach dem Tod. Das Bewusstsein einer endgültigen Beheimatung des Menschen im ewigen Leben bei Gott scheint unter heutigen Christen und Christinnen schwach entwickelt. Die frühere Jenseitsvertröstung ist weitgehend einer Vertröstung auf das Diesseits gewichen. Die neuzeitlichen Christen haben immer mehr den Blick vom Himmel auf die Erde gelenkt, bis dahin, dass sie den Blick zum Himmel überhaupt verloren haben.

Das Sterben in der Natur in diesen Novembertagen erinnert uns an unsere eigene Endlichkeit. Wir sind nur Gast auf Erden. Unsere Lebenszeit ist begrenzt. Auch wenn wir Momente intensiven Lebens, höchsten Glücks und tiefster Erfüllung im Diesseits erleben, bleibt uns die Gewissheit, dass dieses irdische Leben eine vorläufige Form der Existenz ist. Christliches Hoffen blickt über den Tod hinaus. Es ist unlösbar mit dem Glauben an die Auferstehung Jesu Christi verbunden und gründet wesentlich darin, dass wir an Jesu Auferstehung teilhaben werden, auch wenn wir nicht wissen, wie das sein wird.

Die Hoffnung auf das neue Leben, das über den Tod hinausreicht, wirft Licht bereits auf unser jetziges Leben und vermag es zu verändern. Der Glaube an ein Leben nach dem Tod kann uns zum Beispiel gelassener machen, er nimmt uns die Hast, möglichst alles erlebt und gesehen haben zu müssen. Er schützt das Leben und Zusammenleben der Menschen vor ständiger zerstörerischer Überforderung. Denn der andere neben mir bekommt das Recht, ein begrenzter, endlicher Mensch zu sein. Auch mir selber bringt dieser Glaube Entlastung: Ich kann das Bruchstückhafte, Unvollkommene und Unvollendete meines Lebens stehen lassen, weil Gott selber einmal meine Sehnsucht nach einem ganzen, entgrenzten und heilen Leben erfüllen wird.

Datum: 17.11.2008
Autor: Roman Angst
Quelle: Bahnhofkirche Zürich

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