Angst vor dem Sterben

Schon unten an der Haustüre hörte ich ihre lauten Schreie. Maria G. lag ein Stockwerk darüber in ihrem Schlafzimmer. Sie war neunundachtzig Jahre alt und litt schon mehrere Wochen an den Folgen eines Schlaganfalles. Aber in den letzten drei Tagen beobachteten wir eine entscheidende Veränderung in ihrem Zustand. Sie würde sterben. Sohn und Schwiegertochter und auch die Enkel begleiteten sie auf der letzten schweren Wegstrecke ihres Lebens.

Es ist immer ein tragisches Ereignis, Menschen, die uns nahestehen, dem Tod zu überlassen. Aber wenn der Sterbende sich aufbäumt, sich wehrt und alle seine Kräfte nimmt, um dem Tod zu trotzen, dann kann man das kaum mit ansehen.

Meine Worte, tröstende oder Mut machende Worte, fanden überhaupt keinen Anklang. Auch das Angebot, ein Bibelwort zu lesen oder ein Gebet zu sprechen, wies sie energisch ab. Ich kam mir selber so hilflos vor. Aber das Schlimmste waren ihre lauten Schreie. Sie schrie den ganzen Tag, dass sie nicht sterben wolle. Niemand konnte ihr wirklich helfen. Wir mussten mit ansehen, wie sie sich quälte. Im Gespräch mit den Angehörigen wurde auch nicht klar, warum sie sich so quälte. Ob da irgendwas in ihrem Leben unausgesprochen war, oder unbereinigt, ungeklärt? Jedenfalls hatte sie keinen Frieden!

Diese Erkenntnis beschäftigte mich: Ohne Frieden zu sterben! Man muss sich das vorstellen, mehr als achtzig Jahre hätte sie sich damit beschäftigen können, wie sie zum Frieden gelangen könnte, zum Frieden mit Gott, zum Frieden mit ihren Mitmenschen und zum Frieden mit sich selbst. Sie hat es nicht getan. Unfassbar. Endgültig im Unfrieden!

Datum: 20.08.2008
Quelle: talk-about.org

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