Der Gottessucher

Ein noch unklarer Gottsucher Und es lief einer herzu, kniete vor ihn und sprach: Guter Meister, was muß ich tun, daß ich das ewige Leben ererbe? Aber Jesus sprach zu ihm: Was heißt du mich gut? Niemand ist gut denn der einige Gott. Mark. 10, 17.18

In dem Jüngling war ein edles Streben, ein Zug nach oben, den Gott in ihm geweckt hatte. Er hatte das höchste Ziel vor Augen, er wollte das wahre und ewige Leben gewinnen. Aber es war noch viel Unklarheit dabei. Er kannte sich noch nicht. Die Jugend schwärmt gern ein wenig. Man ist überschwenglich. Der Jüngling kniete vor den Heiland hin in heißem Verlangen nach innerster Befriedigung. Einige Minuten später ging er unmutig von Jesus weg. Die seelische Begeisterung schlägt oft schnell ins Gegenteil um. Die Wahrheit ist nüchtern. Jesus, der die Wahrheit in Person war und ist, wirkt ernüchternd durch seinen Geist: der unklare Durst wird von ihm verscheucht. "Was heißt du mich gut? Niemand ist gut denn der einige Gott." Jesus sagt nicht: Ich bin nicht gut; denn er war es. Er schließt sich an einer andern Stelle von uns argen, sündigen Menschen aus, wenn er sagt: "Ihr, die ihr arg seid" (Luk. 11, 13). Ja, er fragte: "Wer unter euch kann mich einer Sünde zeihen?" Er wußte, wie keiner außer ihm, was Sünde war. Er hat sie in ihrem Wesen oder vielmehr Unwesen erfaßt wie niemand. Aber er wußte von Sünde nicht aus eigener trauriger Erfahrung. Sie war ihm innerlich fremd. Der Jüngling aber erkannte Jesus nicht in seinem einzigartigen Wesen als den eingeborenen Sohn Gottes, der an dessen absolut gutem Wesen teilhat.

Er sah in Jesus einen Lehrer. Aus seinem Mund war die Anrede "guter Meister" ungehörig. Jesus rügt sie. Der junge Mann ist mit dem Wort "gut" allzu freigebig. Er hält sich selbst auch für gut. Denn er ist sich keiner Übertretung des göttlichen Gebots bewußt. Er überschätzt sich. Jesus läßt sich nicht bestechen. Er schließt den an sich liebenswürdigen Menschen nicht sofort in seine Arme. Er wirft ihn unsanft aus seinen Träumen: Keiner ist gut, auch du nicht! Wir bedürfen alle der Reinigung, nicht bloß unserer Herzen, sondern auch unserer Ausdrucksweise. Wir übertreiben, gebrauchen zu starke Ausdrücke, sagen schmeichelnde Worte und denken anders. Wir reden geistlich, führen das Wort "Herr" viel im Mund und sind am Ende nur "Herr, Herr"- Sager. "Der Herr hat mir's gezeigt", sagt z. B. jemand. Aber im Grunde ist es die Stimme des eigenen Herzens. Alle Reden, die der Sache nicht entsprechen oder auch mit dem Innern nicht stimmen, sind hohle Phrasen. Wenn wir die Worte nicht nach ihrem Vollsinn gebrauchen, machen wir sie zu falschen Münzen. Laßt uns maßvoll, einfach und schlicht in der Rede werden! Geben wir gediegene, bare, vollgewichtige Münze aus! Halten wir uns in den genauen Linien der Wahrheit! Dann kommen wir dem näher, der die Wahrheit ist.

C.Eichhorn

Datum: 03.04.2002

Werbung
Livenet Service
Werbung