«Ich shoppe, also bin ich»: Wege aus der Verschuldung

Schuld drückt – wenn sie aber erlassen, abbezahlt oder aus dem Weg geschafft wird, tut sich ein Leben in Freiheit auf. Die Bettagskonferenz der EVP Schweiz am Samstag in Olten stand unter dem Thema «Verschuldung: Wege in die Freiheit». Dabei kamen internationale, staatliche, private und persönliche Facetten von Verschuldung zur Sprache.
Hoher Berg, der künftig mehr drücken wird: Peter Siegenthaler über die Staatsverschuldung der Schweiz.
Gottes Gebote als Tor zur Schuldenfreiheit: Prabhu Guptara (rechts) mit seinem Übersetzer Marc-André Pradervand.
Schon in den 1940er Jahren aktuell: Martin von Känel mit einer Warnung vor unsinnigen Käufen.

Wenn Wall Street 700 Milliarden Dollar braucht, damit die Finanzmärkte nicht in den Abgrund schlittern, ist die Aktualität gegeben. Doch Verschuldung hat viel mehr Facetten: die zunehmende Jugendverschuldung etwa, das boomende Kleinkreditgeschäft oder die öffentliche Entschuldigung Australiens bei seinen Ureinwohnern. Mit der Bettagskonferenz 2008 wollte die EVP Wege aus der Schuldenfalle in die Freiheit aufzeigen – wie sie schreibt „ohne parteipolitische Scheuklappen, aber mit dem Ziel der Vernetzung und Sensibilisierung von Menschen, die wissen, was frei sein von Schulden bedeutet“.

Gier und Schulden

Parteipräsident Heiner Studer begrüsste die 120 Anwesenden im Stadttheater Olten und der Solothurner EVP-Kantonsrat René Steiner leitete die Konferenz besinnlich ein. Dann sprach Prof. Prabhu Guptara, Leiter der UBS-Ausbildungsstätte Wolfsberg, über die „globale Kultur des Schuldenmachens.“ Laut Guptara waren biblische Gesellschaften als einzige Kulturen im Lauf der Geschichte nicht vom Schuldenmachen geprägt. Das Sündenregister der heutigen Wirtschaft sei hingegen lang: die Vermischung von Bank- und Versicherungsgeschäften, die Entkoppelung der staatlichen Geldmenge von zugrundeliegenden Vermögenswerten, die falschen Anreizstrukturen sowie die hemmungslose Entschädigungspolitik, das Auslagern von Schulden aus der Bilanz von Unternehmen und Regierungen sowie von Jobs in Niedriglohnländer ohne wirksame Umweltstandards, das staatliche Werben für Lotterien, die nichts als eine Steuer auf Dummheit seien, um nur einige zu nennen. Alle schützenden Barrieren gegen eine hemmungslose Gier würden eingerissen, sagte Guptara, eine nach der andern.

So geht’s nicht weiter: Staatsverschuldung

Peter Siegenthaler, Direktor der eidgenössischen Finanzverwaltung, beleuchtete die Staatsverschuldung in der Schweiz. Diese sei zunächst nur eine finanzielle Verpflichtung, habe aber auch eine moralische Dimension, indem wir heute auf Kosten künftiger Generationen leben. Die Schulden der öffentlichen Hand seien zwar im internationalen Vergleich noch immer moderat, zu denken gebe aber der deutliche Anstieg vor allem in den 90er Jahren. Die Schweiz habe sich weniger für langfristige Infrastrukturprojekte, sondern viel mehr für laufenden Konsum verschuldet, was nicht nachhaltig sei. Der grösste Irrtum der Finanzpolitik sei die Annahme, dass sich der staatliche Handlungsspielraum durch Verschuldung vergrössere. Es müsse im Gegenteil das Ziel der Finanzpolitik sein, die Verschuldung zu stabilisieren und langfristig abzubauen.

Schuldenberatung

Die private Verschuldung vieler Menschen beschäftigte Martin von Känel, Leiter der Schuldenberatungsstelle Berner Oberland. Das Gesetz schaffe in der Schweiz die Möglichkeit erfolgreicher Sanierungen. Es fehle aber an Fachleuten, die es umsetzen würden: es gebe zu wenig Schuldenberatungsstellen und sie seien zu schwach dotiert. Hindernisse für eine erfolgreiche Sanierung seien unter anderem: eine instabile Persönlichkeit, Suchtprobleme, der gültige Konsumexistenzialismus („ich shoppe, also bin ich“) oder auch unterschiedliche Wertvorstellungen bei Menschen aus anderen Ländern. Als Forderungen an die Politik formulierte von Känel: den Ausbau der Beratungsstellen mit Abgaben aus Lotterien, Spielbanken und der Kleinkreditindustrie, die Quellenbesteuerung, sobald Steuerausstände da sind, und die Präventionsarbeit an Schulen.

Die Kraft der Vergebung – von persönlicher Schuld zu innerer Freiheit

Pfr. Geri Keller, Gründer der Stiftung Schleife in Winterthur, kam auf das persönliche Verschulden zu sprechen. „Wir alle stehen immer wieder in der Schuld Gottes!“ sagte Keller. „Doch wenn wir unsere persönliche Schuld bekennen, werden wir Gott erfahren, weil er sich in Jesus Christus mit unserer Schuld identifiziert hat.“ Vergebung bedeute Freisetzung zur eigenen Identität und zu einem erfüllten Leben. Oft brauche es nicht mehr als ein simples „I’m sorry“, aber wie lange müsse man zuweilen auf diese entscheidenden Worte warten! Ohne Kreuz gehe es nicht, sagte Keller; dies hätten Pfarrer Ernst Sieber oder auch Niklaus von Flüe gezeigt:Nnur was im Herzen und in der persönlichen Beziehung zwischen Gott und dem Menschen beginne, habe relevante gesellschaftliche und politische Auswirkungen. „Nur wer ein zerbrochenes Herz hat, weiss, dass er auf die Gnade des lebendigen Gottes angewiesen ist!“

Rechte abwägen, Missbräuche verhindern

Maja Ingold, Sozialvorsteherin in Winterthur, zog Folgerungen für die politische Arbeit auf christlicher Grundlage. Wie immer in der Politik gebe es auch in der Sozialhilfe Rechte und Pflichten, die der Staat den in Not geratenen Menschen schulde, diese aber auch dem Staat. Missbrauch werde bekämpft, wer erwischt werde, müsse eine Schuldanerkennung unterschreiben und riskiere einen Eintrag im Strafregister. Seit nunmehr sechs Jahren habe sie immer wieder schwierige Abwägungen zwischen verschiedenen Rechten zu machen und zu verantworten. In diesem täglichen Bemühen könne sich letztlich eine christliche Politik zeigen. Wer andere ernst nehme, ihnen mit Achtung und Respekt begegne, auf Augenhöhe und mit Geduld: der ermögliche es anderen neue Perspektiven zu entwickeln, auch wenn er beispielsweise in einem Strafverfahren bitter zahlen und büssen müsse.

Abschliessend stellten sich die Referentin und die Referenten auf einem Podium den Fragen des Publikums, die sich naturgemäss stark um die aktuelle Bankenkrise drehten. Peter Siegenthaler meinte auf ein mögliches Eingreifen des Staates angesprochen, dass man im Krisenfall abwägen müsse zwischen den Kosten einer Intervention und den Kosten die entstehen, wenn man nicht eingreife. Denn die volkswirtschaftlichen Schäden eines Zusammenbruchs würden ja alle treffen, und nicht nur jene, die dafür verantwortlich sind.

Bearbeitung Livenet

Datum: 23.09.2008
Quelle: EVP Schweiz

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