Prison Fellowship: Nachdenken über den Umgang mit Gewaltverbrechern

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Die Diskussion zu diesem Thema ist kontrovers. Zu einer Standortbestimmung lud Prison Fellowship Schweiz (PFS) nach Bern ein. Dabei kamen sowohl Fachpersonen wie Opfer von Gewaltverbrechen zu Wort. Prison Fellowship will Menschen für die Gefängnisarbeit sensibilisieren.

Gemäss Artikel 37 des Schweizerischen Strafgesetzbuches soll eine Gefängnis- und Zuchthausstrafe erziehend auf den Gefangenen einwirken und ihn auf den Wiedereintritt in das bürgerliche Leben vorbereiten. Der (Re-)Sozialisierung des Straftäters ist im Strafvollzug ein hoher Stellenwert beizumessen. Wie soll diesem Gesetzesartikel im Umgang mit gemeingefährlichen, nicht therapierfähigen Gewaltverbrechern Nachachtung verschafft werden?

Gesellschaft fordert mehr Härte

Bis im Jahr 1993 war der Strafvollzug für Gewaltverbrecher eher täterfreundlich und optimistisch. Der Mord von Ernst Hauert an einer Pfadfinderin im Kanton Zürich änderte die Denkweise der Vollzugsorgane. Erstmals wurde die Notbremse gezogen. Massnahmen, welche für die betroffenen Insassen, wie an der Tagung bestätigt wurde, erhebliche Konsequenzen hatten. Die bitterste davon war die sofortige Streichung aller Urlaube. André Vallotton, Direktor des Strafvollzugsamtes im Kanton Waadt, erinnerte daran, dass in Folge des Falles Hauert in der Waadt zwei schon bedingt entlassene, ehemalige Straftäter vorsorglich in Anstalten zurückversetzt worden seien. Zudem stieg allein in der Strafanstalt Pöschwies in Regensdorf seither die Zahl der verwahrten, das heisst auf unbestimmte Zeit einsitzenden Delinquenten, von 12 auf heute 60.

Volksinitiative: Gewaltstraftäter bis ans Lebensende verwahren

In der Folge wurde im Jahr 2000 von Angehörigen von Opfern von Gewaltdelikten eine von 200000 Stimmberechtigten unterzeichnete Volksinitiative eingereicht, welche am 9. Februar 2004 zur Abstimmung kommt. Diese fordert in einem neuen Artikel 65bis der Bundesverfassung, dass extrem gefährliche und nicht therapierbare Gewaltstraftäter bis ans Lebensende zu verwahren seien. Hafturlaube und eine frühzeitige Entlassung seien ausgeschlossen. In ihrem Referat bemängelte Anita Chaaban vom Initiativkomitee, dass Bundesrat und Parlament mit der Ablehnung der Initiative das Problem von nicht therapierbaren Sexual- und Gewalttätern nicht genug ernst nähmen. Ein Votum, für welches auch Frank Urbaniok, Chefarzt des Psychologisch Psychiatrischen Dienstes der Zürcher Justizdirektion, als Gegner der Initiative, Verständnis zeigte. Auch er hätte es begrüsst, wenn bei der Revision des Strafgesetzbuches das Anliegen der Initianten mehr Nachachtung gefunden hätte.

Von Saulus zu Paulus

Weiter gab sich Urbaniok, welcher regelmässig in Kontakt mit Gewalttätern ist, pragmatisch. Für ihn sind Bekehrungserlebnisse, durch welche ein Delinquent von einem Saulus zu einem Paulus werde, absolut möglich. Nahe liegender ist für ihn aber, dass sich ein Saulus über einen langen Zeitraum zu einem Paulus entwickeln könne. Er würde selbst die Eingliederung eines Delinquenten in die klare Struktur der Fremdenlegion begrüssen, wenn dies der Sache, einem deliktfreien Leben, dienlich wäre. Weiter äusserte sich Urbaniok kritisch gegen Opfer- und Täterzusammenführungen. Oft würden bei solchen Meetings heute die Tatbetroffenen ein zweites Mal zum Opfer.

Bei der Verwahrung werde ein Täter nicht einfach auf unbestimmte Zeit versenkt. Therapieangebote eröffneten Möglichkeiten zur Vergangenheitsbewältigung und Zukunftsgestaltung. Der Erfolg dieser Arbeit sei vermutlich aber grösser, wenn in weiter Ferne ein Silbersteifen am Horizont in Form einer möglichen "bedingten Entlassung steht".

Prison Fellowship Switzerland

Prison Fellowship Switzerland (PFS) will durch Schulungen und Konferenzen wie Besuchen in Gemeinden Christen für die Gefängnisarbeit sensibilisieren und anleiten. In vielen Strafanstalten haben Mitarbeiter von PFS Gelegenheit, Gesprächsgruppen zu führen und Gefangene individuell zu begleiten (Besuche, Briefwechsel).

Prison Fellowship Switzerland (PFS) ist ein Teil des weltweiten Netzwerks Prison Fellowship International (PFI), welches durch den ehemaligen Berater von US-Präsident Richard Nixon, Charles W. Colson, gegründet wurde. Dies, nachdem er in den Siebzigerjahren selbst, in den Watergate-Skandal verwickelt, für einige Zeit Gefängnisluft schnuppern musste.

Kontaktadresse: PFS, c/o L. Zuber, Grenzacherstrasse 473, 4058 Basel

Autor: Hanspeter Flückiger

Datum: 18.11.2003
Quelle: idea Schweiz

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