Gemeindearbeit hat Perspektive - zur Arbeit der Diakonisse Luise Kunze

Diakonissin Luise Kunze opfert sich auf im Namen Jesu für die andern
Sr. Luise in der St.-Peter-und-Paul-Kirche in Moskau unter der Fahne mit Lutherrose
Gemeinde im Dorf Iljino

Besuchern der Moskauer St. Peter-und-Paul-Gemeinde springt die Diakonisse Luise Kunze sofort ins Auge - ihr selbstsicheres Auftreten, die feste, freundliche Stimme, die gepflegte Tracht. Wer denkt: "Das ist eine Schwester, die einiges auf die Beine stellt," irrt nicht. Vieles an ihr erinnert an eine segensreiche deutsche Kirchentradition.

Von der sinnvollen Gabennutzung versteht Schwester Luise etwas. Offensichtlich setzt sie alles, was ihr der Schöpfer als Gabe zugewiesen hat, zum Wohle der Gemeinde ein. Ihr wurde wohl nicht die Gabe der Fremdsprachen beschert - das macht ihre Ausstrahlung aber sofort wieder wett. Schwester Luise kennt sich aus mit Senioren-, Jugend-, Kinder- und Frauenarbeit, mit Bibel- und Musikstunden, mit Hausbesuchen und Altenpflege. Als Gemeinschaftsschwester in Deutschland nahm sie über Jahre praktisch alle Aufgaben eines Gemeindepastors war.

Wer Schwester Luise zuhört, muss zugestehen, dass Gott auch auf krummen Linien gerade schreibt. Denn just diese Schwester, die den Eindruck hinterlässt, stets alle Puppen in Reih und Glied zu haben, musste mehrere Jahre, als es schwierig war Dienstreisevisa zu erhalten, in äusserst kreative Weise um ihre Einreisen kämpfen. Als lutherische Diakonisse trat sie ihren ersten Moskauer Dienst in einer Baptisten-gemeinde an.

Mit 19 Jahren ist die in Heidenau bei Dresden geborene Luise Kunze dem grossen, in Elbingerode/Harz beheimateten Diakonissenhaus Neuvandsburg beigetreten. Eigentlich hatte sie damals (1959) als Missionarin nach Brasilien gehen wollen. Sie erzählt: "Ich wollte nicht im Büro oder im Krankenhaus arbeiten, ich wollte verkündigen. Das war schon ziemlich klar, und dann kam (1961) die Mauer. Da war ich erst einmal ziemlich fertig, habe mir aber dann gesagt: "In der DDR gibt es so viele Menschen, die nichts von Jesus wissen." Es folgten Dienste als "Gemeinschaftsschwester" in landes-kirchlichen Gemeinschaften in Saalfeld, Freiberg, Halle und Dresden. Sie diente auch sechs Jahre als Freitzeitschwester im Elbingeroder Mutterhaus. Bei diesen Diensten lernte sie alle jene Aufgabenbereiche kennen, die sie auch heute in Moskau wahrnimmt.

Die nächste grosse Wende hatte ebenfalls mit der deutschen Teilung zu tun: Zur Zeit der Währungsunion im Sommer 1990 befand sie sich auf einer Tagung in Korntal bei Stuttgart, bei der sie eine junge Moskauer Baptistin kennen lernte. Am Ende des Gespräches hiess es: "Kommen Sie doch und helfen Sie uns." Gerade diese Einladung hat die Diakonisse letztlich nicht ausschlagen können.

Im August 1993 reiste sie im Auftrag der Marburger Mission als Krankenschwester ein und arbeitete in einer kleinen Baptistengemeinde im Norden Moskaus. Den Anfang beschreibt sie als "abenteuerlich": die pflegerische, medizinisch-diakonische Arbeit war der Gemeinde völlig neu. In den Anfangsmonaten widmete sich die Schwester ganz diesen humanitären Aufgaben.

Bei einem Weihnachtskonzert in der deutschen Botschaft 1994 stiess Schwester Luise dann auf einen gross gewachsenen Deutschen mit Kollarhemd. Es handelte sich um Johannes Launhardt, Pastor der St. Peter-und-Paul-Kirche. Er reagierte auf den Anblick mit der Frage: "Eine deutsche Schwester in Moskau! Was machen Sie hier?" Und hinterher noch: "Kommen Sie doch zu uns, besuchen Sie uns mal." Daraus ergab sich eine immer intensiver werdende Beziehung zur Gemeinde. "Mir war es zu wenig gewesen, nur humanitär zu arbeiten," erklärt sie. "Bei den Lutheranern konnte ich mich auch geistlich einbringen. Bei den Baptisten wäre ich als Frau nie zum Zuge gekommen." Fast zwei Jahre lang hatte sie u.a. aus Dolmetschermangel "nicht über Jesus erzählen können". Nach vielen Fragen auch seitens des Gemeinderates hat sie dann von der lutherischen Gemeinde im September 1995 einen Arbeitsvertrag erhalten. Nicht zuletzt hat Bischof Siegfried Springer wesentlich dazu beigetragen, dass sie in der Gemeinde Fuss fassen konnte.

Inzwischen ist die Frauenarbeit ihr ganzer Stolz. Im Jahr 1995 hatte sie mit nur zwei Frauen begonnen - inzwischen ist der Kreis auf 60 Frauen angewachsen. Den Durchbruch schaffte der Internationale Tag der Frau im März 1996: Damals war sie auf die Idee gekommen, die Gemeindefrauen zu sich in die Wohnung einzuladen. Anstelle der üblichen zwei, sind zu diesem Anlass acht Frauen erschienen. Nun freut sie sich besonders darüber, dass immer mehr Russinnen die Stunde besuchen. "Zuerst war das ein bisschen national geprägt, doch inzwischen hat sich das verloren", erzählt sie. Neben den Kindergottesdiensten und Seniorenstunden gibt es Gebetsstunden in der Moskauer Gemeinde. Dank den Gaben von Freunden in Deutschland und ihrer leiblichen Schwester, die ebenfalls Diakonisse ist, konnte sogar eine Kleiderkammer eingerichtet werden. Schwester Luise trug wesentlich dazu bei, dass an zwei Aussenorten südlich von Moskau, Iljino und Kolomna, eine Gemeindearbeit begonnen werden konnte. Diese Orte werden in der Regel einmal im Monat besucht. Schwester Luise gehört ferner zum Gründungskomitee der Russischen Evangelischen Allianz.

Bei dieser Diakonisse wird man schnell davon überzeugt, dass Kirche kein Auslaufmodell ist. Dass es sich in Moskau trotz aller Ausreisen um eine wachsende Arbeit mit Perspektive handelt, erfüllt sie mit besonderer Genugtuung. Sie stellt fest; "Viele Menschen haben ein grosses Verlangen, Gottes Wort zu hören. Die Gemeinde ist auch sehr, sehr dankbar, und das macht´s leicht. Sie nehmen einem das Wort sehr leicht ab. Bei der Vorbereitung von Bibelarbeiten in Deutschland musste ich mich auf die Frage konzentrieren, WIE ich etwas sage. Nun kann ich mich auf das WAS konzentrieren, denn hier sind die Leute nicht so überfüttert."

Eine Antwort auf die Frage, mit welchen Hauptproblemen die Gemeindearbeit zu kämpfen habe, lässt nicht lange auf sich warten. "Der ständige Wechsel der deutschen Pastoren" kommt es wie geschossen. "Von daher ist es schwierig, kontinuierlich zu arbeiten." Bei der Moskauer Gemeindeschwester besteht dieses Problem ja nicht. Allerdings wird Schwester Luise selbst in zwei Jahren das Rentenalter erreicht haben und hofft, dass ihr die Marburger Mission eine Nachfolgerin beschert.

Webseite Diakonissen-Mutterhauses "Neuvandsburg": www.neuvandsburg.de

Autor: Dr. William Yoder
Quelle: Evangelische Allianz Deutschland

Datum: 06.06.2003

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