Landeshymne

Ist «Gott» ein Wort, das man weglassen kann?

Der siegreiche Text für eine allfällige neue Schweizer Nationalhymne verzichtet auf einen direkten Bezug zu Gott. Das behagt nicht allen. Und es gäbe Alternativen.
Schweizer Fahne weht im Wind.
Werner Widmer, Sieger des SGG-Nationalhymnen-Wettbewerbs.
Hans Müller
«Schweiz wohin?» - Gemälde von Hans Müller zu seiner Komposition der Nationalhymne.

Die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft SGG will eine neue Nationalhymne. Am 12. September wurde aus über 200 Beiträgen das Lied von Werner Widmer aus Zollikerberg ZH zum Favorit erkoren. Der Ökonom hat am Konservatorium Bern Musik studiert. Widmer leitet die Stiftung Diakoniewerke Neumünster und ist Verwaltungsratspräsident des Kantonsspitals Baselland.

Widmer hält an der bisherigen Melodie fest und schlägt eine «Schweizerstrophe» vor, die alle vier Landessprachen vereint. Darin kommt das Wort «Gott» nicht mehr vor. Der Text thematisiert Werte wie Freiheit, Unabhängigkeit, Frieden, Offenheit, Gerechtigkeit und Solidarität mit den Schwachen: «Weisses Kreuz auf rotem Grund, unser Zeichen für den Bund: Freiheit, Unabhängigkeit, Frieden.» Kein Aufruf zum Gebet, kein Hocherhabener, kein Herrlicher mehr.

Widmer: «Gott kommt vor!»

Warum kommt Gott beim reformierten Texter nicht vor? In einem Interview mit ref.ch widerspricht Werner Widmer: «Gott kommt vor – aber nicht als Wort!» Die Nationalhymne sei kein Glaubensbekenntnis. Vielmehr solle sie den Zusammenhalt im Volk fördern. Zu diesem gehörten auch Leute, die sich nicht zu einem Glauben bekennen. Dann zitiert er Matthäus 7, Vers 21: «Nicht, wer mich dauernd 'Herr' nennt, wird in Gottes neue Welt kommen, sondern wer den Willen meines Vaters im Himmel tut.» Diese Bibelstelle habe für ihn den Ausschlag gegeben. «Gott ist kein Etikett. Wichtig ist es, seinem Willen zu entsprechen, zu dem insbesondere der Schutz der Schwächeren gehört», äusserte er sich gegenüber ref.ch. Also heisst eine Liedzeile: «Frei, wer seine Freiheit nützt, stark ein Volk, das Schwache stützt.»

Das Lied kam über Nacht

Dem ehemaligen Lehrer Hans Müller (68) in Küttigen AG gefällt der Pathos unserer Landeshymne. Dennoch ist er dem Aufruf der SGG gefolgt. Müller weiss: «Die aktuelle Hymne ist nicht einfach zu singen, der Text etwas altertümlich.» Er war 30 Jahre Lehrer und hat mit seinen Schülern gerne und viel gesungen. Der «Schweizer Psalm» war aber kaum im Repertoire. Zu kompliziert ist der Text für Kinder.

Hans Müller suchte nach einer Alternative. Und dann fiel ihm eines Nachts eine Melodie ein. Das sei wie ein Geschenk gewesen, erzählt er. Sofort schrieb er die Noten auf. Die Melodie ist angelehnt an die aktuelle Nationalhymne. Sie ist feierlich, aber leicht singbar wie ein Volkslied. Drei Monate hat der pensionierte Lehrer an der Komposition gefeilt, jeden Tag. Beim Text war es ihm wichtig, dass Aussagen drin sind, die, wie er sagt, «Gott ehren».

Tatsächlich – Müllers Wettbewerbsbeitrag schaffte es unter die zehn Besten, trotz des frommen Inhalts. «Schau die Berge, schau die Seen – schau das wundervolle Land! All die Täler, all die Hügel – das ist unser Heimatland. Gott, der Höchste, mög uns schützen – er bewahre, segne uns!» So beginnt die erste Strophe. Daraus leitet er Werte ab wie Mut, Freude, Dankbarkeit, Hilfsbereitschaft. «Anderen helfen, das ist Glück; was wir geben, kehrt zurück», heisst es zum Schluss des Lieds. Zum Sieg reichte es nicht. Der ging an Werner Widmer.

Wie es weitergeht

Ob wir am 1. August künftig Werner Widmers Text singen werden, ist noch längst nicht sicher. Gemäss ersten Abklärungen der Bundeskanzlei falle der Entscheid über eine neue Hymne in die Kompetenz der Bundesversammlung und nicht des Bundesrates, sagte Lukas Niederberger, Projektleiter bei der SGG, gegenüber kath.ch. Der Textvorschlag könne auf verschiedene Weise in den parlamentarischen Prozess eingebracht werden. Es sei denkbar, dass das Parlament eine referendumsfähige Vorlage ausarbeite, über die schliesslich das Volk entscheiden könnte.

Müller: «Zu Werten stehen!»

Und was meint Hans Müller, dessen Lied von der Jury besser bewertet wurde als fast 200 andere? Ihm ist bewusst, dass einige Leute seinen Text für zu fromm halten. Persönlich ist ihm die christliche Grundhaltung aber wichtig. Auf YouTube kann sich jeder sein Lied anhören. Einfach die Suchwörter «Hans Müller Schweizer Heimatpsalm» eingeben oder seine Webseite besuchen.

Im November stellt Hans Müller in Gränichen Gemälde aus. Zu seinem «Heimatpsalm» hat er auch ein Bild gemalt. «Schweiz wohin?», lautet der Titel des abstrakten Werkes. Es zeigt das Schweizer Kreuz und die Umrisse des Landes. «Wir müssen dem Zusammenhalt in unserem Land Sorge tragen», meint er. «Wir sollten mehr zu unseren Werten stehen.» Sein Lied gibt dazu einen Anstoss.

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Datum: 28.09.2015
Autor: Rolf Höneisen
Quelle: Idea Spektrum Schweiz

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