Demokratisch gewählter Präsident in ostafrikanischem Inselstaat setzt sich durch

Marc Ravalomanana
Antananarivo
Antananarivo

Nach den schwierigen Monaten seit den Präsidentschaftswahlen am 16. Dezember 2001 normalisliert sich die Situation in Madagaskar nur langsam. Der neu gewählte Präsident Marc Ravalomanana hat breite Unterstützung in der Bevölkerung und ist überzeugter Christ.

Sein Glaube habe ihn offenbar dazu geführt, im ganzen Konflikt sehr zurückhaltend zu agieren. Dies berichtet Adrian Romang, der als Mitarbeiter der Stiftung Helimission in Trogen die Krisenmonate in Madagaskar persönlich erlebte. Das zögerliche Auftreten des Gewählten sei manchmal fast lästig gewesen. Erst unter dem Druck der Bevölkerung habe er sich mehrere Wochen nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses als Präsident installiert. In den Kirchen des Landes sei viel für ihn und für die anstehenden Entscheide gebetet worden. Ravalomanana selber hat eine Führungsposition in der reformierten Kirche Madagaskars (FJKM).

Während Wochen demonstrierten Tausende von Madagassen friedlich für den neuen Präsidenten und für die Demokratie. An diesen zeitweise täglichen Massendemonstationen wurde zu Beginn jeweils ein Gottesdienst abgehalten, wie Matthias R. Reuter, der Verantwortliche der Helimission in Madagaskar, berichtete. Es kam auch vor, dass mitten in der Nacht Kirchenglocken Alarm schlugen, um die Zivilbevölkerung zur Verstärkung der Strassenblockaden aufzurufen.

Um Jahre zurückgeworfen

In der Hauptstadt Antananarivo und auf dem ganzen Hochplateau der südostafrikanischen Insel ist heute die Ruhe wieder eingekehrt. Und allmählich beginnt auch das Benzin an den Tankstellen wieder zu fliessen. Während Monaten war es in der Hauptstadt unmöglich, Benzin zu erhalten. Die Schwarzmarktpreise stiegen gegen elf Franken pro Liter. Ratsiraka versuchte, das ganze Hochland praktisch auszuhungern, liess Strassen ins Landesinnere sperren und wichtige Verbindungsbrücken in die Luft sprengen, Inzwischen hat die Armee des gewählten Ravalomanana einen grossen Teil der Küstenregionen zurückerobert. Noch heute hält der ehemalige Präsident Ratsiraka allerdings die wichtigste Hafenstadt Toamasina besetzt.
Die zerrüttete politische Situation hat grosse Teile der Bevölkerung in eine äusserst prekäre Lage gebracht. Vor allem die Armen wurden durch die Inflation der Preise hart betroffen. Viele Medikamente und Grundnahrungsmittel fehlten während Monaten. Diplomaten in Antananarivo machten laut einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung darauf aufmerksam, dass durch die Zerstörungsaktionen sechs Jahre Entwicklungsarbeit zunichte gemacht wurden. Gemäss Schätzungen der Weltbank hat die Auseinandersetzung täglich zwölf Millionen Dollar gekostet.

Späte Anerkennung

Dass die im Lande tätigen Hilfswerke in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt waren, hat zusätzliche Schwierigkeiten für die Zivilbevölkerung gebracht. Als im Mai der Tropensturm Kesiny über die Ostküste der Insel brauste, konnte während Tagen in den von Didier Ratsiraka kontrollierten Küstenstreifen keine Nothilfe geleistet werden. Man habe erst anfangs Juni, das heisst drei Wochen nach dem Sturm, eine Bewilligung erhalten, um die von den Unwettern heimgesuchten Regionen zu überfliegen, sagt Matthias R. Reuter von der Helimission.

International erhält das neue Regime erst seit kurzem Anerkennung, nachdem Frankreich noch lange Zeit das alte Regime von Ratsiraka unterstützte. Noch im Juni haben anscheinend französische Fremdenlegionäre versucht, nach Madagaskar einzureisen und den Truppen von Ratsiraka Unterstützung zu bringen. Zehn davon wurden in Tansania am Weiterflug gehindert. Weitere sollen vom afrikanischen Festland mit Helikoptern eingereist sein, um Mordanschläge auf die neue Regierung durchzuführen. In der ersten Juliwoche hat Frankreich jetzt doch Ravalomanana offiziell als Staatspräsident anerkannt. Wenige Tage zuvor hatten die USA das neue Regime anerkannt und Deutschland ein Kooperationsabkommen von 23 Millionen Euro (vor allem Schuldenerlass) unterzeichnet.

Madagassen leiden still

Die Bevölkerung des ostafrikanischen Staates hofft nun auf eine rasche Normalisierung. Dass nicht noch Schlimmeres passiert und Madagaskar nicht ganz in den Sumpf eines langen Bürgerkrieges gefallen ist, sei wirklich Gottes Bewahrung gewesen, schreiben die dort arbeitenden Missionare. Es zeige aber auch etwas von der Mentalität des Inselvolkes: "Madagassen sind sehr friedliche und geduldige Leute", sagt Adrian Romang. Im Vergleich zu manchen Ländern auf dem Kontinent ist die Kriminalität auf der ostafrikanischen Insel geringer und die Aids-Rate nur ein Bruchteil derjenigen in den Ländern des südlichen Afrikas. In Antananarivo blickt eine Frau zurück auf die vergangenen Monate. In wenigen Worten beschreibt sie das, was mit ihr noch viele Bewohner des armen Landes täglich fühlen: "Madagassen leiden still", sagt sie. "Die internationale Gemeinschaft hilft uns nicht. Wir haben niemanden, der uns hilft. Wir haben nur Gott. Betet für uns."

Datum: 22.07.2002
Autor: Thomas Hanimann
Quelle: idea Schweiz

Werbung
Livenet Service
Werbung