Nissan nimmt „10 Gebote“ für seine Werbung in Beschlag

«2. Gebot»: «Alle Nissan-Modelle unter einem Dach» – dümmlich und banal. Wo bleiben die echten Ideen?
Wirklich ein Segen für Wien? www.einsegenfuerwien.at
«10. Gebot»: «Gehen Sie an die frische Luft». Dahinter verbirgt sich ein Wettbewerb mit einem Cabrio als Hauptgewinn.

Die Eröffnung eines neuen Autohauses in Wien zelebrierte Nissan unter dem Motto: «Ein Segen für Wien». Für ihre neue Werbekampagne hat der japanische Automobilhersteller ausserdem die „10 Gebote“ umgedeutet und damit vielleicht ein Eigentor geschossen.

Manche österreichische Christen sind empört über diese Werbekampagne. Auf der Homepage von Nissan Wien ist ein Pastor abgebildet. In der einen Hand hält er ein Buch, auf dem «10 Gebote von Nissan Wien» steht. Mit der anderen winkt er übereifrig herum.

Ob sich die Aufregung lohnt? Einzeln lesen sich diese „Gebote“ recht dümmlich und werfen ein entsprechendes Licht auf die ganze Kampagne. Hoffentlich nicht auch auf die Fahrzeuge. Wir betrachten die Sprüche näher und ergänzen sie (kursiv) mit eigenen Kommentaren.

1. Gebot: «Gehen sie nur zur Nissan-Fachwerkstätte.»
Geht ja noch ... Ist immerhin eine Aufforderung. Gebotsquotient somit bei + 1.

2. Gebot: «Alle Nissan-Modelle unter einem Dach.»
Das ist schwach: Die richtigen 10 Gebote richten sich an echte Leser. Nissan hingegen publiziert hier lediglich ein diffuses Angebot in Form eines banalen Werbespruchs. – Abstrich beim Gebotsquotienten; er liegt wieder bei 0.

3. Gebot:
«Ganzer Nissan, halber Preis.»
Das ist kein Gebot, sondern a) ein Angebot und b) eine Mogelpackung, denn natürlich muss der ganze Nissan bezahlt werden, einfach nicht der ganze Preis auf einmal. Der Quotient rutscht unter null: minus 1.

4. Gebot:
«Rechnen Sie damit, die Nissan Finance.» Ginge als Gebot durch, wenn nicht erneut die Finanzierung das Thema wäre. Zudem ist schon wieder Eigenwerbung in ein „Gebot“ gepackt. Der Quotient sinkt auf minus 2.

5. Gebot:
«Top-Service bringt Zufriedenheit.»
Noch ein Foulspiel. Auch dieser Spruch richtet sich nicht an den Leser, sondern behauptet irgendetwas über die Firma. Oder wollte Nissan dem geneigten Gebotsgläubigen suggerieren: «Du sollst gefälligst mit unserem Angebot zufrieden sein!»? Gebotsquotient nun bei minus 3.

6. Gebot: «Sparen Sie 4000 Euro.»
Wieder das Geld, und diesmal definitiv ein suggestives Foulspiel. Denn genau heisst es im Folgetext, dass man für das Eintauschauto bis 4000 Euro erhalte. Man beachte das Wörtchen „bis“. Der Betrag ist also in dieser Höhe a) keineswegs garantiert, und er gilt b) nur für den Nissan Patrol. Siehe zudem „Gebot“ Nummer 3 zu den Finanzen. Alles völlig undurchsichtig und kein Gebot. Der Quotient sinkt und sinkt ... minus 4.

7. Gebot:
«Immer sauber bleiben – Die Komplettpflege.»
Auch diesmal kein Gebot; erneut nur ein billiger Aufruf mit einer verkappten Aussage der Firma über sich selber. Bei 7 „Geboten“ haben wir also bisher sechs Nieten gezogen. Ergibt einen Zwischenstand von minus 5.

8.Gebot:
«Wir bieten mehr – Top Leasing Finanzierung.»
In diesem Zusammenhang ein Quatsch mit Soße; vergleiche „Gebot“ Nummer 4 zum Thema Finanzen. Den Nissan-Werbern scheinen die Gebote definitiv ausgegangen zu sein, und das bereits nach dem allerersten! Aber egal. Quotient: minus 6.

9. Gebot: «Leistung zählt.»
Bei diesem Punkt zählt Nissan auf, was man so alles Tolles macht. Zum Beispiel hat man eine Waschstrasse, Ersatzwagen und vieles mehr – was alle anderen auch haben. Sagen muss man das logischerweise trotzdem. Bloss hat dies nichts, aber auch gar nichts mit einem Gebot zu tun. Wieder Eigenwerbung. Und überhaupt: Ich warte immer noch auf die Firma, die von sich behauptet, dass bei ihr Leistung nicht zähle. – Der Quotient befindet sich im freien Fall: minus 7.

10. Gebot:
«Gehen sie an die frische Luft.»
Gemeint ist ein Cabriolet. Das ist nun doch noch originell. Könnte eigentlich den freien Fall ein wenig abbremsen. Eigentlich; doch bei diesem Gebot handelt es sich um einen Wettbewerb für ein Cabriolet, das man dann im Sommer fahren kann. Also ist es doch kein Gebot, sondern die Einführung in einen Wettbewerb. Der Quotient landet im Keller bei minus 8.

Die „10 Gebote“ netto

Ohne den Gebotsfummel hat uns die Firma Folgendes mitgeteilt:

Kommen Sie zu uns (1), denn wir zeigen Ihnen alle unsere Autos (2). Wenn Sie wollen, bezahlen Sie zunächst nur den halben Preis und den Rest dann in einem Jahr (3). Aber es gibt auch individuelle Regelungen (4). Darüber haben wir uns schon Gedanken gemacht (8). Beim Kauf eines Nissan Patrol erhalten Sie maximal 4000 Euro für Ihr altes Auto (6). Wir denken, Sie werden mit unserem Service zufrieden sein (5). Immerhin kümmern wir uns sogar um die Sauberkeit Ihres neuen Autos (7). Bei uns zählt die Leistung (9), und bei einem Wettbewerb kann man ein Cabriolet für ein paar Monate gewinnen (10).

War Nissan überfordert?

Nissan sagt im Prinzip das Gleiche wie immer und wie alle anderen. Möglich, dass man mit den «Zehn Geboten» provozieren wollte, damit empörte Christen die Werbeaktion in die Redaktionsspalten tragen. Wahrscheinlicher ist aber : Nissan findet diese Werbung kreativ. Nur wäre man damit auf halbem Weg steckengeblieben. Kreativ wäre zum Beispiel ein Gebot in diesem Stil gewesen: «Du sollst die Schöpfung bewahren!» Damit hätte man dann ein besonders verbrauchsarmes Auto anpreisen können. Aber die Werbeabteilung war offenbar mit weniger zufrieden. Hauptsache, die Zehn Gebote kommen vor. Wie das Ganze umgesetzt wird, war dann nicht mehr so wichtig.

Nissan nimmt dazu Stellung – ein wenig...

Wir wollten die Hintergründe wissen und fragten Nissan Wien, wozu sie diese Werbung entworfen hätten und ob es Klagen gegeben habe. Wir stellten folgende Fragen:

- Inwieweit wollten Sie provozieren?
- Glauben Sie, dass Ihre Kampagne religiöse Gefühle verletzt?
- Wann sehen wir einen Imam, der auf der geräumigen Auto-Rückbank zu Sex aufruft?

Anders gefragt: Weshalb immer mit „christlichen Motiven“ werben, mit anderen Religionen jedoch nicht? Weil man es mit den Christen machen kann?
Eingegangen ist man in der Marketingabteilung von Wien auf unsere Fragen nicht. Sie liess lediglich verlauten: «Es ist von uns keinesfalls beabsichtigt, durch das von Ihnen kritisierte Werbesujet jemanden in seinem religiösen Empfinden zu verletzen. Auch eine Diskriminierung von unterschiedlichen Hautfarben ist durch diese Werbekampagne nicht beabsichtigt, im Gegenteil – es soll unser Unternehmen als welt- und kulturoffen darstellen. Die gegenständliche Werbekampagne wurde mehrfach auf ihre Gesetzeskonformität überprüft und es hat sich keinerlei Anhaltspunkt für eine Sittenwidrigkeit oder Rechtsverletzung ergeben. Sollten Sie die Werbung als Ärgernis erregend empfinden, bedauern wir diesen Umstand sehr».

Und wir bedauern die dürftigen Auskünfte.

Forum und Leserbriefe:
Schreiben Sie hier Ihre Meinung zu den Nissan-Geboten

Datum: 31.03.2005
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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