Suizide verhindern

Macht der Notruf-Button von Facebook Sinn?

In Amerika können Facebook-Nutzer mithelfen, Suizide zu verhindern. Wenn sie sich wegen der Einträge eines Freundes Sorgen machen, können sie mit dem «Notruf»-Button Alarm schlagen. Mitarbeiter des sozialen Netzwerks sichten dann seine letzten Einträge.
Depressiver Mann auf dem Balkon
Jörg Weisshaupt

Wenn die Facebook-Mitarbeiter eine Gefährdung vermuten, wird er benachrichtigt: «Hey, ein Freund glaubt, du machst eine schwere Zeit durch und hat uns gebeten, deine letzten Einträge anzuschauen». Er kann dann selbst entscheiden, ob er Hilfe anfordern will. Facebook bietet zudem Selbsthilfevideos und eine Beratungs-Hotline an. 

Soziale Medien beurteilen das neue Facebook-Angebot kontrovers; zum Beispiel werfen sie die Frage auf, ob sich Facebook damit nicht noch stärker in die Privatsphäre seiner Nutzer einmischt. Auch Franco Baumgartner vom Beratungsdienst «Die Dargebotene Hand» hat da seine Zweifel. Zwar ist die Institution ins Beratungsnetz eingebunden, indem sie zu den von Facebook empfohlenen Beratungsstellen gehört. Baumgartner zweifelt aber ein wenig an der Aufrichtigkeit, mit der Facebook an diese heikle Thematik herangeht. Gegenüber der Aargauer Zeitung vom 10. März meint er: «Facebook hat eine Amerika-typische Haltung: Alles soll gegen aussen sauber sein. Es geht wohl vor allem darum, dass sie eigentlich keine Selbstmordaussagen auf ihrem Portal haben möchten. Das ist nicht zuletzt eine Image-Frage.»

Entlastung für Freunde

Auch Jörg Weisshaupt, Suizid-Präventionsexperte bei der reformierten Kirche Zürich, der auch Hinterbliebene von Menschen betreut, die sich das Leben genommen haben, beurteilt das Angebot ambivalent. Es könnte hilfreich sein, weil Suizidgefährdete ihre Absicht oft verschlüsselt kommunizieren und sich zusichern lassen, dass die Vertrauensperson niemanden darüber informiert. Somit könnte das Facebook-Angebot solche Freunde entlasten.

Andererseits stelle sich die Frage, ob nicht gerade die Vertrauensperson viel eher Hilfe anbieten oder vermitteln könne als Facebook. Er plädiert daher für eine Suizidprävention auf allen Schulstufen für Schüler und Lehrpersonen sowie Schulsozialarbeitende.

Kontraproduktive Wirkung?

Weisshaupt fragt sich aber auch: «Was löst eine solche Nachricht von Facebook bei einem User aus?» Ist er vielleicht überrascht, wer da alles mitliest? Vielleicht ziehe er daraus die Konsequenz, dass er in einer nächsten Krise darauf verzichte, auf Facebook darüber zu schreiben.

Zur Motivation von Facebook vermutet der Präventionsexperte, dass sich das Social-Media-Portal damit eine weisse Weste sichern möchte. Ein «protokollierter» Suizid wäre auch für Facebook rufschädigend. Zudem sei es sicher sinnvoll, proaktiv auf Hilfsangebote hinzuweisen. «Aber was, wenn diese Warnung in falsche Hände kommen sollte, zum Beispiel bei der Stellensuche?»

Suizidrate nicht gestiegen

Schliesslich bemerkt Weisshaupt gegenüber Livenet, das trotz Suizidforen, die ganz konkret zur Tat anleiten, die Suizidrate in den letzten Jahren nicht gestiegen sei. Er vermutet, sie könnten auch eine Ventilfunktion haben. So wie es Exit von sich behauptet. Mit den Worten eines Exit-Mitglieds gesagt: «Ich finde Gleichgesinnte, die mich verstehen, die mir den Suizid nicht ausreden.» Schon das allein könne die Suizidabsicht dämpfen.

Datum: 16.03.2015
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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