Mehr Respekt!

Das stellt sich der SRG-Generaldirektor unter gutem Journalismus vor

Freikirchen fühlen sich vom (Boulevard-)Journalismus oft schlecht behandelt. Die Muslime noch schlechter. SRG-Direktor Roger de Weck und der Religionssoziologe Jörg Stolz äusserten sich zu einem brisanten Thema.
SRG-Generaldirektor Roger de Weck
Das Podium mit Roger de Weck (li.) und Prof. Jörg Stolz (3. v.r.)
Religionssoziologe Jörg Stolz

Der Generaldirektor der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG, Roger de Weck, sitzt selbst im Glashaus und verantwortet die Produktionen der staatlichen elektronischen Medien. Das hindert ihn erst recht nicht daran, die Latte hoch zu setzen, wenn es um die journalistische Bewältigung globaler Krisen und journalistische Qualität geht.

An einem Vortrag an der Universität Basel analysierte de Weck am Montagabend die internationale Lage, insbesondere die Krise des Islam und die mörderische Gewalt im Namen dieser Religion. Für ihn ist erstens klar: Der Westen brauchte nach dem Zusammenbruch des Kommunismus einen Feind, und der Extremismus unter dem Deckmantel des Islam erfüllt diese Erwartung. Zweitens gehe es beim Gewalt-Islamismus weniger um einen Kampf gegen die westliche Zivilisation als vielmehr um einen innerislamischen Konflikt von unterschiedlichen Ideologien.

Ein neues Medium und eine globale Krise

Einher mit dieser Krise gehe ein Umbruch in der Medienwelt, die vergleichbar sei mit dem Aufkommen des Buchdrucks zur Zeit Gutenbergs, der überhaupt erst die Reformation möglich gemacht habe. Das Internet schaffe die Voraussetzung, dass alles überall auf der Welt sofort vorhanden sei. Moderne Aufbrüche wie der «arabische Frühling» wären ohne Internet und Social Media nicht denkbar. Aber auch westliche Länder könnten noch von Protestbewegungen heimgesucht werden, warnte de Weck.

Parallel dazu beobachtet er eine grosse Verunsicherung in der Gesellschaft. Und eine Emotionalisierung, die immer wieder von Medien geschürt werde. Es gehöre gleichsam zur Dynamik der ökonomisierten Medien, durch Emotionalisierung Aufmerksamkeit zu erlangen. Aus den Nachrichten seien zuerst die News geworden, heute gehe es noch um «Content». Es seien viel mehr Papier und Sendeminuten vorhanden, als sinnvoll gefüllt werden könnten. Er sprach von einer «verzweifelten Suche nach (spektakulären) Inhalten».

Gleichzeig sei der Ultraliberalismus in der Folge des Zusammenbruchs des Kommunismus gescheitert und habe einer Ich-Gesellschaft Platz gemacht. De Weck spricht sogar von einer «Phase der Finsternis» und der Dominanz der Unvernunft. Und der Fundamentalismen, von denen der Islamismus nur eine Spielart sei.

Das Diktat der Flüchtigkeit

Vor diesem Hintergrund müsse sich der Journalismus vom Diktat der Flüchtigkeit befreien. Gerade wenn es um sensible Informationen gehe. Der Journalist müsse prüfen, einordnen, in den Zusammenhang stellen, gewichten, erklären – und schliesslich kommentieren. Wo Fehler passierten, müsse er auch korrigieren. Dies sei gerade dort wichtig, wo es um die Zusammenhänge von Religion und Politik gehe, sagte de Weck im Blick auf die Islam-Debatte. Leider führe die Überforderung der Medienschaffenden – und die Bereitschaft des Publikums – dazu, dass Schwarz/Weiss gemalt werde. Und nur noch in Gut und Böse unterschieden werde.

So diene aber der Journalismus dem Populismus. Er produziere Unterhaltung statt Sachpolitik, thematisiere Konflikte statt Kompromisse, bewirtschafte Emotionen und schüre Ängste. Das Gegenrezept laute: Gute Recherche und Respekt, Respekt, Respekt! Denn der Mensch könne sonst aus Angst vor dem Fundamentalismus selbst zum Fundamentalisten werden

Gute und schlechte Religion?

Opfer der Entwicklung sind laut de Weck gerade die Muslime in der Schweiz. Er forderte daher im anschliessenden Podiumsgespräch mehr Muslime in den Medien. Denn der Islam sei heute der Prototyp einer «schlechten Religion», bestätigte auch der Religionssoziologe Jörg Stolz: kriegerisch, intolerant und gewalttätig. Es habe sich auch der Eindruck verstärkt, Religion sei an sich gewalttätig und gefährlich, konstatierte er aufgrund seiner Studien über Religion und Spiritualität in der Ich-Gesellschaft. Eine Entwicklung, die parallel zum Trend zum Religionsrelativismus verläuft, die nicht mehr zwischen den Religionen unterscheiden will. Dennoch ortet er auch stereotype Wertungen, die auch von Medien bestätigt werden, zum Beispiel, dass der Buddhismus generell als friedliche Religion gesehen wird, während das dem Christentum nicht zugestanden werde.

Datum: 14.11.2014
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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