Eine Umfrage im Auftrag der Stiftung "Identity Foundation" ergab: Für die neuen EU-Bürger ist Religion wichtiger als für die alten. Am religiösesten sind die Polen, am wenigsten religiös die Schweden Die GfK-Marktforschung hat jeweils 500 Männer und Frauen in acht neuen EU-Ländern und sechs alten EU-Staaten danach befragt, welche Werte ihnen wichtig sind. Danach befürworten in den verschiedenen EU-Staaten zwischen 83 Prozent und 95 Prozent ein Leben mit Familie und Kindern. Religion und Spiritualität dagegen trifft nur auf eine Zustimmung zwischen 23 und fast 60 Prozent. Am meisten finden die Polen (58,6 Prozent) und Italiener (54,8 Prozent) in Europa Religion wichtig, gefolgt von den Slowaken (53,3 Prozent), Litauern (52 Prozent), Ungarn (45,5 Prozent) und Letten (41,3 Prozent). Die Schweden (23,1 Prozent) und Tschechen (24,1 Prozent) messen der Religion am wenigsten Bedeutung zu. In den meisten Ländern Ost- und Südosteuropas geht es mit der Religion im Empfinden der Öffentlichkeit aufwärts. Das berichtete der Budapester Religionssoziologe Miklos Tomka. Die Bevölkerung in den Reformstaaten stelle eine zunehmende Präsenz der Kirche fest. Diese Entwicklung gebe es bereits seit 1978, sagte der Religionssoziologe. Ab diesem Zeitpunkt sei eine stete Aufwärtsentwicklung des Religiösen in Ungarn und anderen Ländern der Region spürbar geworden. Damals hätten zwei gegenläufige Tendenzen - nämlich die schwindende Frömmigkeit des Volkes einerseits und das Aufbegehren gegen den Totalitarismus andererseits - bestanden. Die Religion sei dabei in einer "halb privaten und halb öffentlichen Kultur" gelebt worden. Daraus sei eine Art religiöser Untergrund entstanden. Die Religion sei "von unten nach oben" gewachsen. Diese Entwicklung halte nach wie vor an, meinte Tomka. Nach der "Wende" 1989 habe es dann plötzlich die übersteigerte Erwartung an die Kirche gegeben. Man meinte, nach dem Zusammenbruch der politischen und sozialen Welt in der Kirche Stabilität zu finden. Obwohl dies bald einer Ernüchterung wich, geniesse die Kirche in den Reformstaaten noch immer weit mehr Vertrauen als alle anderen sozialen Institutionen und Einrichtungen, wies Tomka hin. Insgesamt könne er heute drei Kategorien von Staaten des ehemaligen Ostblocks in ihrem Verhältnis zur Religion unterscheiden, erklärte Tomka. Einerseits gebe es die Situation in Ostdeutschland, Tschechien, Estland und Bulgarien, wo die Bevölkerung weithin religionslos geworden sei. Andererseits gebe es Länder mit einer "höheren Plausibilität der Religion" wie Polen, die Slowakei, die Westukraine, Rumänien und Kroatien. Eine dritte Kategorie von Ländern habe einen starken sozialen Wandel durchgemacht; dort werde die einstige religiöse Tradition wieder aufgegriffen. Tomka zählte dazu Slowenien, Serbien und Ungarn. Der noch immer vorhandene religiöse Aufbruch in Ungarn komme heute vor allem von den Unter-35-Jährigen, berichtete Tomka. Nur die gesellschaftliche Mittelschicht sei weithin ohne Religion. Ein weiteres Merkmal dieses Aufbruchs sei, dass das religiöse Interesse im städtischen Bereich stärker wachse, vor allem bei Intellektuellen. Diese Gruppe habe doppelt so viele Kirchgänger als andere gesellschaftliche Gruppen, stellte Tomka fest. Kurz nach der Öffnung 1989 habe es in der Kirche noch grosses Misstrauen gegeben. Dieses sei heute "restlos abgebaut", meint er. Tomka bedauerte aber, dass die derzeitige sozial-liberale Regierung in Ungarn versuche, die Position der Kirche wieder zu schwächen. "Seit Jahren leben wir in einem weltanschaulichen Feld, das immer mehr von Gegensätzen beherrscht wird, die mitunter kirchenkampfähnliche Formen annehmen", so Tomka. Mit der Religion in den Reformstaaten geht es aufwärts
Ansehen trotz Ernüchterung
Drei Kategorien
Misstrauen abgebaut
Datum: 12.07.2004
Quelle: Kipa