Mega-Treffen christlicher Bewegungen in Stuttgart

Europa braucht Christus – auch in Zukunft

Die Bedeutung des Christentums für die Gestaltung Europas unterstrichen hat ein grosses Treffen christlicher Bewegungen und Gemeinschaften, an dem am Samstag in Stuttgart rund 10’000 Personen teilnahmen. Aus der Schweiz waren 200 katholische und reformierte Christen angereist, die 26 Bewegungen und Gemeinschaften vertraten.
Romano Prodi
Leute

EU-Kommissionspräsident Romano Prodi erklärte vor den Teilnehmern, die Geschichte Europas sei ohne die Geschichte des Christentums nicht zu verstehen. Er rief die Christen dazu auf, all ihren Einsatz und ihre Kreativität aufzubringen, damit Europa nicht zu einer Festung werde, sondern seine Identität und Berufung im Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit weltweit finde.

Prodi nahm auch zur Frage des Terrorismus Stellung. Ohne die USA beim Namen zu nennen, sagte er, die Antwort auf den Terrorismus könne nicht Krieg sein, weil dieser den Terrorismus nur weiter anheize. Die Antwort liege vielmehr in der Demokratie und im Bemühen, Konflikte zu lösen und dem Terror damit den Nährboden zu entziehen. Die Christen gäben mit dem Glauben eine entscheidende Antwort auf die Angst, die angesichts der Terrorgefahr viele Menschen befallen habe.

Spirituelle Dimension Europas

Kardinal Walter Kasper, im Vatikan für die ökumenischen Beziehungen zuständig, bezeichnete das Treffen in Stuttgart als "Meilenstein für Europa". Hier werde die spirituelle Dimension Europas erfahrbar: "Wir brauchen ein Europa der Herzen, und Herzen werden nicht von Geld gefüllt, sondern von Werten, und letztlich von Gott", so Kasper. Die verschiedenen christlichen Gemeinschaften, die zu dem Treffen eingeladen hatten, rief er auf, weiter an ihrem Netz der Freundschaft zu knüpfen.

Der Landesbischof der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern, Johannes Friedrich, sagte, die Gemeinschaften hätten einen wichtigen Anstoss für ein christliches Europa gegeben: "Hier wird deutlich, dass Europa nicht nur in der Vergangenheit vom Christentum geprägt worden ist, sondern dass Europa auch in der Zukunft Christus braucht und die Zukunft Europas nur in und mit Christus sein kann."

"Europa der Liebe"

In einer Abschlusserklärung riefen die Veranstalter dazu auf, sich für ein "Europa der Liebe und der Geschwisterlichkeit" einzusetzen. Europa dürfe nicht auf den gemeinsamen Markt und auf Sicherheitsinteressen reduziert werden. Als Fundament für ein Europa der Geschwisterlichkeit verweisen die Autoren auf die Botschaft der Bibel. In ihr sehen sie die Grundlage für ein versöhntes Miteinander der Menschen, aber auch der Völker.

Europa dürfe sich nicht einigeln, betonten die Redner. Geschwisterlichkeit konkretisiere sich unter anderem in der gerechten Verteilung von Gütern und Ressourcen, in der Wertschätzung für die Familie und die Achtung menschlichen Lebens in allen Phasen seiner Entwicklung.

Per Satellit übertragen: 160 Parallelveranstaltungen

Zu dem Treffen in Stuttgart, das unter dem Motto "Miteinander für Europa" stand, hatten rund 175 evangelische, katholische, orthodoxe, anglikanische und freikirchliche Gruppierungen eingeladen. Die Veranstaltung wurde per Satellit an 160 Orte in Europa übertragen, wo sich schätzungsweise 100’000 Teilnehmer zu Parallelveranstaltungen versammelten. In der Schweiz fanden solche Veranstaltungen in Zürich mit 400, in Genf mit 300 sowie in Bern und Baar, Kanton Zug, mit je etwa 200 Teilnehmenden statt.

Nach Stuttgart waren unter anderem die frühere belgische Königin Fabiola und Walter Schwimmer, der Generalsekretär des Europarats gekommen. Zu den Teilnehmern sprach auch die Gründerin der Fokolar-Bewegung, Chiara Lubich, Mitinitiatorin des Treffens, und Andrea Riccardi, der Gründer der Gemeinschaft Sant' Egidio, die sich für Verständigung über religiöse und kulturelle Grenzen einsetzt und in Italien Migranten von jenseits des Meeres betreut.

Unter Hinweis auf den Umgang der Christen mit dem Islam sagte Riccardi, es gehe nicht um den Aufbau einer christlichen Front gegen die Muslime. Wohl aber müssten die Christen eine klare Identität finden, auf deren Basis sie mit dem Islam einen von gegenseitigem Respekt getragenen Dialog führen können.

Von einer "prophetischen und historischen Stunde" sprach der Kongress-Mitinitiator und Vorsitzende der Geistlichen Gemeindeerneuerung, Friedrich Aschoff. Das Treffen habe gezeigt, dass nicht Abgrenzung und Ängstlichkeit unter den Christen bestimmend sein müssten. Vielmehr seien Vielfalt, Bewegung und Übereinstimmung zu spüren gewesen.

Datum: 14.05.2004
Quelle: Kipa

Werbung
Livenet Service
Werbung