Das neue Europa – Feindbild oder Chance zum Teilen?

EU-Erweiterung
Astrid Tomczak.

Heute, 1. Mai wird die europäische Union um 10 Mitglieder erweitert – darunter viele ehemalige Ostblockstaaten. Nicht alle freuen sich darüber. Doch Christen sollten sich nicht von Ängsten anstecken lassen.

Die Menschen in Mittel- und Osteuropa setzen grosse Hoffnungen in die Zukunft im gemeinsamen Europa. Nicht so die „alten“ Bewohner dieses Hauses: Vorab in Deutschland wächst die Angst vor einem noch grösseren Heer von Arbeitslosen. Und auch in der Schweiz fürchten viele einen Ansturm billiger Arbeitskräfte aus den Ländern jenseits von Oder und Neisse.

Plötzlich gilt das Feindbild „Osten“ wieder – wie einst zu Zeiten des kalten Kriegs. Nur dass es diesmal nicht um politische Ideologien, sondern ums wirtschaftliche Überleben geht. Die Angst vor Arbeitslosigkeit und damit einhergehender Armut und sozialer Isolation sitzt auch hierzulande vielen in den Knochen. Parallel dazu wächst die Entsolidarisierung: Jeder ist sich selbst am nächsten.

Christus lehrt uns ein anderes Menschenbild: Teilen statt Scheffeln – und seien es nur die paar Fische oder Brote wie im biblischen Bericht von der wundersamen Brotvermehrung. Ein edles Ziel, sicher. Nur so schwer umzusetzen im Alltag. Wie oft machen wir unseren Nächsten selber für sein Elend verantwortlich. Andererseits ist es oft auch so einfach, sich mit ein paar Franken vom eigenen schlechten Gewissen zu befreien. Dabei geht es beim Teilen ja nicht nur um materielle Werte, sondern auch um die Bereitschaft, jemandem zuzuhören, ihm oder ihr Zeit zu widmen. Zeit ist Geld – heute wohl mehr als je zuvor. Vielleicht gönnen wir uns und unseren Mitmenschen etwas mehr von diesem wertvollen Gut – jetzt wo der materielle Wohlstand abnimmt.

Kirchen und Konfessionen in der erweiterten EU

Die bislang grösste Erweiterungsrunde der Europäischen Union (EU) beschert ihr einen enormen Bevölkerungszuwachs: Zu den derzeit 381 Millionen Menschen in 15 EU-Staaten kommen rund 74 Millionen Einwohner der zehn Beitrittsländer dazu. Damit erreicht die 25 Staaten zählende Gemeinschaft insgesamt rund 455 Millionen Einwohner. Durch den Beitritt von Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Ungarn, Slowakei, Slowenien, Tschechien und dem griechischen Zypern-Teil verschiebt sich auch die religiöse Landschaft in der EU.

In den bisherigen Mitgliedsstaaten sind 53 Prozent römisch-katholisch, 16 Prozent protestantisch, neun Prozent anglikanisch, drei Prozent orthodox, drei Prozent muslimisch und 0,3 Prozent jüdisch. 16 Prozent haben eine andere Religionszugehörigkeit oder sind religions- oder konfessionslos.

56 Millionen Katholiken mehr

Die derzeit rund 207 Millionen Katholiken werden am 1. Mai durch etwa 56 Millionen Mitglieder verstärkt - etwa drei Viertel der EU-Neubürger sind katholisch. Der grösste neue EU-Mitgliedsstaat Polen mit seinen etwa 38 Millionen Einwohnern ist zu 97 Prozent katholisch. Eine ähnlich hohe Prozentrate weist auch das kleinste Land Malta mit seinen fast 400.000 Einwohnern auf.

Auch die Lutheraner in der EU bekommen einen deutlichen Zuwachs: Zu ihnen gehören etwa 55 Prozent der Letten - rund 1,3 Millionen Bürger - und ungefähr drei Viertel der Esten, also etwa eine Million Einwohner.

Zu den fast 11 Millionen Muslimen in den alten EU-Staaten - mit 5 Millionen leben am meisten in Frankreich - kommen ab Samstag etwa 75.000 hinzu. Wenn der türkische Zypern-Teil aufgenommen worden wäre, hätten die 190.000 Muslime dort für einen bedeutend kräftigeren Zuwachs gesorgt. Im Süden des geteilten Inselstaats mit seinen rund 700.000 Einwohnern dominieren die griechisch-orthodoxen Christen, die zur neuen EU gehören werden.

Autorin: Astrid Tomczak
Quellen: Bausteine/Kipa

Datum: 01.05.2004

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