Nach Blasphemie-Anklage

Pakistanische Christin riskiert ihr Leben, um Mitchristen zu schützen

«Niemand liebt seine Freunde mehr als der, der sein Leben für sie hergibt», sagte Jesus seinen Jüngern (Johannesevangelium, Kapitel 15, Vers 13). Wortwörtlich umgesetzt hat das eine junge Frau in Pakistan. Und erlebte daraufhin ein Wunder Gottes.
Sonia Gill (links) und die Parlamentarierin Mary Gill

Immer wieder werden Mitglieder der etwa 150 christlichen Familien der Stadt Christian Town in der Nähe von Gujrat der Blasphemie bezichtigt und in der Regel vom Mob gelyncht, es sei denn, sie fliehen vorher aus der Stadt. Auch die 23-jährige Sonia Gill wurde  von einer Nachbarin angezeigt. Die Christin habe mit einem Plakat den Boden ihres Hauses ausgelegt, auf dem der Name Mohammeds stünde – und somit dem Propheten gelästert.

Doch als ein wütender Mob von etwa 70 Menschen sich am 16. Mai vor ihrem Haus versammelte, versuchte Sonia nicht zu fliehen. Sie wusste, dass die Anklagen falsch waren, denn auf dem alten Wahlplakat, mit dem sie ihren Fussboden ausgelegt hatte, befanden sich lediglich die Namen von Politikern. Die Nachbarin Sharjila Komal, so ist sich Sonia sicher, habe lediglich einen Grund gesucht, sich an ihr zu rächen, da Sonias Cousin vor drei Jahren zusammen mit Shjarjilas Schwägerin durchgebrannt war. Ihre Flucht hingegen hätte andere Christen der Nachbarschaft in Gefahr bringen können.

Keine Blasphemie begangen

«Es war etwa 8 Uhr abends, als 70 Leute unser Haus erreichten und das Plakat forderten, auf dem die 'heiligen Namen des Islam standen'», berichtet Shaukat Gill, Sonias Bruder. «Ich lud die Anführer, etwa 18 Leute, ein, hereinzukommen und die Plakate zu begutachten. Als sie sahen, dass die Anschuldigungen falsch waren, sagten sie unzufrieden, dass sie sich in einer nahegelegenen Moschee beraten würden.» Als sie gegangen waren, rief Shaukat die Polizei. «Ich vermutete, dass der Mob zurückkommen und uns angreifen würde.» Doch auch die Polizei fand nichts Blasphemisches an den Plakaten. Dennoch forderten die muslimischen Anführer des Ortes, eine offizielle Anklage stellen zu dürfen.

Das Leben der Freunde über dem eigenen Leben

Noch am nächsten Morgen war die Situation angespannt. «Christliche Mädchen kamen von der Schule nach Hause und erzählten uns, dass sie auf der Strasse gehört hatten, dass es Proteste geben würde», erinnert sich Sonia. «Die Nachbarin sagte, dass sie bis aufs Äusserste gehen würde, um mir eine Lektion zu erteilen. Ich sagte ihr, dass mir nichts geschehen könnte, was nicht Gottes Wille sei. Einige Christen und auch Muslime rieten mir, zu fliehen, aber ich sagte, wenn ich das täte, würden die wütenden Demonstranten andere Christen und ihre Häuser angreifen. Was auch immer sie tun wollten, sollten sie mir antun und niemand anderem!»

Das Wunder

Doch Gott sah die grosse Liebe, die Sonia gegenüber ihren Mitchristen hat, und griff ein. Die Polizei bezeichnete sie offiziell als «unschuldig». «Wir waren immer noch sehr besorgt, aber wir glaubten, dass Gott ein Wunder tun würde», erzählt Shaukat Gill. Muslimische Freunde der Familie setzten sich für sie ein und konnten den Fall einen Tag später klären, indem sie auf dem Koran schworen, dass die Familie Gill keine Blasphemie begangen hatte. Sämtliche Anklagen wurden fallengelassen.

Ministerpräsident informiert

Nach dem Vorfall reiste die Parlamentarierin Mary Gill an den Ort des Geschehens und besuchte die betroffene Familie. Die Polizei habe eine entscheidende Rolle gespielt. «Es ist sehr ermutigend, dass Sonia zumindest dieses Mal nicht fliehen musste», erklärte Mary Gill gegenüber der christlichen Organisation «Word Watch Monitor». «Da dies die zweite Blasphemie-Anklage innerhalb eines Monats im selben Gebiet ist, habe ich den Ministerpräsident Shahbaz Sharif über die Situation informiert und stellte sicher, dass die Christen sich in Sicherheit befinden.» Das Parlament befasste sich daraufhin mit dem Thema und will in Zukunft mehr für die Sicherheit der Christen im Land tun, so Gill.

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Datum: 02.06.2016
Autor: Rebekka Schmidt
Quelle: Livenet / Charisma

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