Kommentar

Sprengstoff in der arabischen Welt

Wird mit den Protesten in der arabischen Welt 2011 eine neue Epoche einleiten? Die wenigsten Regims sind so menschenverachtend wie das iranische oder libysche; dies lässt hoffen.
Proteste in Libyen.

Die Staaten der arabischen Welt unterscheiden sich stark voneinander. Doch mit Ausnahme weniger Länder, wo aussagekräftige Wahlen stattfanden, regieren überall Autokraten. Im Unterschied zu Ägypten ist die Armee in vielen Ländern bereit, auf Protestierende zu schiessen. Die US-Organisation Freedom House stellt fest, dass die arabischen Länder die niedrigsten Demokratieniveaus aufweisen und dass sich die Situation 2010 noch verschlechtert hat.

Kein Job, keine Familie

Das Wirtschaftswachstum hat mit der Bevölkerungszunahme, ermöglicht durch die moderne Medizin, nicht Schritt gehalten. In keiner Weltregion sehen die Statistiker der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) eine höhere Jugendarbeitslosigkeit als im Nahen Osten und in Nordafrika: 24%. Tatsächlich haben Millionen junger Menschen keine Arbeit und sehen nicht, wie sie eine Familie gründen sollen. Hoffnungslosigkeit hat Verzweiflung und Wut zur Folge; die Massenproteste in Tunesien und Ägypten greifen nun auf zahlreiche weitere Staaten über. Allerdings haben die Regime in den Erdöl-Ländern mehr Mittel, um steigenden Nahrungsmittelpreise mit Subventionen zu begegnen und das Volk mit «finanziellen Anreizen» zu besänftigen.

Keine starken Unternehmen

Laut dem türkischen Ökonomen Timur Kuran wäre die arabische Welt ohne Öl so arm wie Afrika. Der in den USA lebende Kuran weist auf religiöse Gründe hin. Der Zeitung «Die Welt» sagte er, dass im Unterschied zum Westen, wo Kapital gesammelt und grosse Unternehmen gegründet werden konnten, in Arabien «die Wirtschaft völlig atomisiert war und aus kleinen Unternehmen bestand, die meist nicht lange überlebt haben. Das Erbrecht im Koran verbietet es, Kinder zu enterben. Jeder muss einen Anteil bekommen. Und das bedeutete, dass erfolgreiche Unternehmen nach dem Tod ihres Besitzers zerstückelt wurden. Die verbreitete Vielehe hat das Problem natürlich noch verschärft.»

Abschottung

Die Entwicklungsschwäche hängt mit der vom Islam geprägten Kultur zusammen. Da Arabisch für die Muslime die Sprache ist, in der sich Gott offenbart hat, haben sich bis vor wenigen Jahrzehnten wenig Araber für andere Sprachen interessiert. Die minime Zahl von Büchern, die ins Arabische übersetzt wurden, mag als Beleg für die traditionelle selbstgewählte Abschottung dienen. Anregungen vom Rest der Welt – etwa von Ostasien, das sich in den letzten Jahrzehnten rasant entwickelte – wurden nicht angenommen. (Die Türken haben sich seit der Gründung des modernen Staats anders verhalten.) Das Satellitenfernsehen und das Internet mit seinen neuen Kommunikationsmöglichkeiten haben dies seit 1990 geändert: Sie erlauben den jungen Araberinnen und Arabern, sich örtlich, national und international zu informieren und zu vernetzen.

Wenn die jungen Araber Demokratie wollen, haben sie tiefsitzende Widerstände zu überwinden, die aus der umfassenden Prägung des gesellschaftlichen Lebens durch den Islam und der Abwertung aller anderen Wertsysteme in seinem Herrschaftsbereich herrühren. Christen sind zum Gebet für die arabischen Völker aufgerufen, die nach Freiheit streben. Eine positive Veränderung in den islamischen Staaten muss uns zu einem Herzensanliegen werden.

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Datum: 22.02.2011
Autor: Peter Schmid

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