«Den Irak mit Jobs fluten»

Christen neue Wurzeln geben

In den letzten Jahrzehnten hat die Zahl an Christen im Irak massiv abgenommen, dies weil sie derzeit wenig willkommen sind und auch aus wirtschaftlichen Gründen. Livenet traf William (Name geändert) zum Hintergrundgespräch. Er arbeitet für eine NGO, die diesem Trend entgegenwirkt.
viele Christen im norden des Iraks leiden unter der wirtschaftlichen Situation.
Christen im Irak
Gemeinden und Kirchen nehmen die Flüchtlinge auf.

William arbeitet für eine NGO (Name kann aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden) im Nordirak, die Christen unterstützt. Dies geschieht über ein Netzwerk von christlichen Leitern verschiedener Konfessionen. Unter anderem durch sozio-ökonomische Projekte. Denn nicht zuletzt aufgrund fehlender Arbeitsplätze verlassen viele Christen den Irak.

«Wir errichteten eine Steinfabrik an einem Ort, der Nahe am IS-Gebiet liegt», berichtet William. Darauf hätten viele Leute die Rückkehr in dieses Gebiet gewagt. Mehrere Dutzend Familien fanden so eine Arbeit und ein Auskommen – und Würde. Andernorts konnte eine Bäckerei und ein Supermarkt eröffnet werden. «Das erleichtert es den Leuten ganz entscheidend, im Irak zu bleiben.» Keine Jobs dagegen bedeute einen Verlust an Sicherheit und führe oft zur Ausreise. Deshalb gelte es, das Land mit Jobs zu fluten.

Den Rückgang stoppen

Den Rückgang der Christen im Land zu stoppen sei dringend nötig, wenn die Wiege der Christenheit nicht bald entchristlicht sein soll. «Oft wird gesagt, dass früher unter Saddam Hussein die Lage besser war. Bloss: Vor Saddam zählte die Nation bis zu zwei Millionen Christen, als er weg war, waren noch etwa 500'000 da.» So gut könne ihr Leben unter ihm also nicht gewesen sein.

Mittlerweile seien noch bis zu 250'000 da, die Zahl sinke weiterhin. Ein Teil davon sei bedingt durch die schlechte Arbeitssituation. Diesem Missstand versucht William mit seinem Team entgegenzuwirken.

In Kurdistan nicht willkommen

Auch in Kurdistan sind Christen nicht überall willkommen. Manchmal werden in christlichen Städten und Orten am Rande muslimische Familien angesiedelt. Meist haben diese mehr Nachwuchs und brauchen mit der Zeit mehr Häuser. Der Druck auf Christen, wegziehen zu müssen, könne so aufkommen. William spricht von einem langsamen Prozess.

«Gleichzeitig ist der Präsident des kurdischen Gebiets offen für die Christen. Er sagt, dass sie Teil unserer Familie seien. Sie seien vertrauenswürdig und deshalb gerade auch in Bankjobs willkommen.» Beamte an der Basis würden jedoch verschiedentlich anders handeln. Dort komme schon mal die Frage auf, was die Christen noch in diesem Land machen. Manche würden sogar die Möglichkeit sehen, das Christentum ganz auszulöschen. «Es gibt die Meinung, dass alle Zweige sterben, sobald die Wurzel tot ist. Im übertragenen Sinn heisst dies: Sie denken, dass das Christentum auch im Westen sterben wird, wenn es im Nahen Osten ausgemerzt ist.»

Gemeinde betet

William stellt jedoch fest, dass das Christentum im Irak noch nicht tot sei. Die irakischen Gemeinden, die noch bestehen – auch die traditionellen Kirchen – seien ausgesprochen vital. «Wenn in Westeuropa wöchentlich zu einer Gebetsstunde geladen wird, kommen wenige. Hier sind manche Kirchen bei täglich zwei Gebetsstunden halb voll», sagt William, der in der Schweiz auf einer Tagung von «Open Doors» über die Lage der irakischen Christen berichtete.

«Wir hoffen und beten, dass die Menschen zurück an ihre Orte gehen können, zum Beispiel in die Ninive-Ebene, wo viele vertrieben wurden.» An verschiedenen Orten hilft seine NGO unter anderem mit Lebensmitteln.

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Datum: 29.08.2016
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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