«Von welchen Werten wollen wir uns leiten lassen?»

Opprecht Strohofer Butting
Jürgen Rüttgers (Copyright ideaBild/kretschel)

In einigen Branchen bleibt kein Stein auf dem andern. Was der Wirtschaft Halt und Richtung gibt, ist gefragt. Vor dem Kongress christlicher Führungskräfte in Düsseldorf forderte NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers eine neue Debatte über eine christliche Leitkultur.

Es müsse geklärt werden, «von welchen Werten wir uns in unserem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem leiten lassen wollen», sagte Rüttgers am Donnerstag zum Auftakt des sechsten Kongresses christlicher Führungskräfte. Der rheinische Kirchenleiter Nikolaus Schneider kritisierte vor rund 3‘600 christlichen Unternehmern und Managern Masslosigkeit im Wirtschaftsleben und setzte sich für einen fairen Welthandel ein.

Rüttgers: „Christliche Werte“ und Führung

Rüttgers betonte in seiner Rede, «Leitstern» müssten hierzulande die Werte des christlich-jüdischen Abendlandes sein. Auf ihnen beruhe auch die soziale Marktwirtschaft. Auf materialistischem Denken und neoliberalen Politikansätzen liege dagegen «kein Segen»: «Geld, Preise, kurzfristige Renditen und Bonuszahlungen dürfen nicht alles sein.» Ein Teil der Eliten habe sich «materiell und ökonomisch von den normalen Leuten entfernt», kritisierte der Düsseldorfer Regierungschef. Christliche Werte und Führung seien nötig, um das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen.

Aufs Geld fixiert

»Die Freiheit des Marktes entpflichtet nicht von der Verantwortung für die Menschen«, mahnte der CDU-Politiker. Er bemängelte, in der aktuellen Debatte gebe es kaum Lösungsvorschläge, »bei denen es um die Werte statt um Geld geht«. Es könne nicht sein, »dass wir jetzt mit der Kraft des Staates versuchen, die Scherben wegzukehren und wieder Ordnung zu schaffen, und dann geht es weiter wie in den letzten Monaten und Jahren.»

Drei vorbildliche Unternehmer ausgezeichnet

Der Kongress würdigte drei christliche Führungskräfte, die christliche Werte vorbildlich vermitteln, mit einem Preis: Jürg Opprecht (Bern), Manuela Strohofer (Geiselwind bei Nürnberg) und Hermann Butting (Knesebeck bei Wolfsburg). Jürg Opprecht engagiert sich seit 1997 in Kirgisien; durch Unternehmerschulung und Kredite sind 330 Unternehmen mit 5‘000 Arbeitsplätzen entstanden.

Rasten mit Andacht

Manuela Strohofers Familie hat aus einem Bauernhof den grossen Rasthof Geiselwind an der A3 zwischen Würzburg und Nürnberg gemacht. Sie errichtete eine Kirche, in der die katholische Unternehmerin, Geschäftsführerin des Autohofes, Andachten für Reisegruppen hält. Der Rohrfabrikant Hermann Butting bietet seit 2004 in einer Akademie Schülern Berufsorientierung und Bewerbungstraining an und führt Personalentwicklungs- und Kommunikationsseminare durch.

Kapital nicht Selbstzweck

Vor dem Kongress mahnte Nikolaus Schneider, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Wirtschaftskapital sei kein Selbstzweck: «Es soll den Menschen dienen, die in der Wirtschaft arbeiten und für das Leben der Menschen Güter und Dienstleistungen produzieren.» Werte müssen nach den Worten des 61-jährigen Theologen so umgesetzt werden, «dass sie zum Wohl der gesamten Gesellschaft wirken».

Leitkultur?

Zurückhaltend äusserte sich der oberste Repräsentant der 2,9 Millionen rheinischen Protestanten zum Begriff «Leitkultur». Zwar gebe es einen «Common Sense, der uns alle leitet», sagte Schneider vor Journalisten. Das Wort «Leitkultur» dürfe aber keinen Anspruch begründen, «der unterdrückend wirkt auf andere». Das gebiete auch der Respekt vor Menschen anderen Glaubens. Es müsse möglich sein, dass etwa ein Muslim oder ein Buddhist mit seinen Wertevorstellungen in der deutschen Gesellschaft leben könne.

Gegen masslose Selbstüberschätzung

Die grundlegende Ursache für das heutige «Desaster der Finanzmärkte» ist für Schneider menschliche Masslosigkeit. Die Investmentbanker der Wall Street hätten sich selbst als «Master of the Universe» (Herren des Universums) bezeichnet, kritisierte das Mitglied des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). «Es war diese masslose Verkennung der eigenen Person, der eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten, die zu allen anderen Masslosigkeiten führte.» Dazu zählt Schneider überzogene Gewinn- und Einkommensforderungen, Geschäfte ohne realwirtschaftlichen Bezug und den Handel mit faulen Krediten.

Verantwortung - Würde - Dienst

Der Kölner Kardinal Joachim Meisner mahnte am Freitag die christlichen Führungskräfte in Deutschland zu Verantwortung vor Gott. «Ein Führungsdienst ist nicht nur äusserer Glanz, sondern Verantwortungsbewusstsein und die hohe Würde, die Verantwortlichkeit auch auszufüllen», sagte Meisner in einem Grusswort. «Die grössten Führungspersönlichkeiten waren die, die sich ganz für die anderen in Dienst genommen haben.» Die Führungskräfte rief Meisner auf, in der Nachfolge dessen bleiben, der gekommen sei, um zu dienen.

Für ein christliches Wertesystem

Der Präsident des Schweizer Baumeisterverbandes Werner Messmer griff die Frage auf, ob christliche Unternehmer besser seien. Der Kongress geht heute Samstag zu Ende. Er will nach den Worten des Vorsitzenden Horst Marquardt "aktiv zur Lösung der bestehenden Probleme beitragen, indem wir für ein christliches Wertesystem eintreten». Die Veranstaltung wird seit 1999 alle zwei Jahre von der Nachrichtenagentur idea und der Unternehmensberatung tempus-consulting veranstaltet. Träger sind christliche Unternehmerverbände und kirchliche Werke.

Datum: 28.02.2009

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