Undercover in Moscheen

Imam: «Die Gesetze der Schweiz interessieren mich nicht»

Der deutsch-pakistanische Terrorismusexperte Shams Ul-Haq hat sich undercover in schweizerische Moscheen eingeschleust. Er berichtet von Radikalisierung und Finanzierung durch den Islamischen Staat.
Moslem beim Gebet

Shams Ul-Haq, der als Teenager aus Pakistan nach Deutschland flüchtete, hat während vier Monaten die Moscheen in Winterthur, Zug und Zürich besucht, um das Ausmass der Radikalisierung zu ermitteln. Der Journalist besuchte die Freitagsgebete und gab sich als spendenfreudiger Unternehmer aus Pakistan aus.

«Die islamischen Gesetze stehen über diesem Land»

In der An'Nur-Moschee in Winterthur, die durch Verbindungen zu Dschihadisten in die Schlagzeilen kam, traf Ul-Haq auf einen Imam, der in seiner Predigt den Dschihad offen pries. «Ich erschrak über die Aggression, die in seiner Stimme lag», schreibt der Journalist Ul-Haq in der schweizerischen SonntagsZeitung. Der aus Ägypten stammende Imam Shaikh Wail habe Koranverse gepredigt, die für ihre Mehrdeutigkeit bekannt sind, schreibt Ul-Haq. Er predigte auf Arabisch, und fast kein Mitarbeiter der Moschee spreche Deutsch. «Dieser Mann predigte nicht, er rechnete ab», schreibt Ul-Haqs. Die Übersetzungen auf Deutsch zeigten, wie Wail radikales Gedankengut in seine Rede einfliessen lässt: «Die Gesetze von Allah sind ihnen egal. Die Gesetze der Schweiz interessieren mich aber nicht. Die islamischen Gesetze stehen über jedem Land.»

Ausserdem zitierte der Journalist den Imam mit den Worten: «In der Zeit vor dem Jüngsten Gericht vermehrt sich Streit und Unzucht und der Kampf. Vor diesen ganzen Anzeichen gibt es grosse und kleine Zeichen. Und Dajjal (der Täuscher, Antichrist. Anm. d. Red.) kommt kurz vor dem Tag der Auferstehung, nun sind wir in dieser Zeit angekommen.» Wenn auf Deutsch übersetzt werde, würden mehrdeutige Stellen weggelassen oder umformuliert werden. Wail sei nicht allein mit seinen radikalen Predigten. Bereits sein Vorgänger, Shaikh Anwar, sei bekannt gewesen für seinen extremen Ansichten.

Unterstützung vom IS

In Gesprächen mit Besuchern der Moschee erfuhr Ul-Haq, dass einigen Gläubigen Wails Predigten zu extrem sind. Mehrere Mitglieder hätten dem Verein An'Nur nach den Negativschlagzeilen sogar den Rücken gekehrt. Dies stellt die Moschee vor finanzielle Probleme. Unterstützung habe die Moschee daraufhin vom «Islamischen Staat» bekommen, wie hochrangige Mitglieder dem Journalisten anonym bestätigten. Der Beitrag der Terrormiliz sei sogar so gross, dass «ohne den IS diese Moschee in Winterthur nicht mehr existieren würde», schreibt Ul-Haq.

Wie die SonntagsZeitung berichtet, ist der Imam Wail inzwischen entlassen worden, nachdem der Vorstand von den Recherchen Ul-Haqs erfahren habe. Die An'Nur-Moschee erklärte allerdings, Wail sei «aus finanziellen Gründen» freigestellt worden.

«Lächerliche Gesetze der Schweiz» reichen nicht aus

Auch in der als gemässigt geltenden Al-Hidaya-Moschee in Zürich konnte der Journalist nach eigener Aussage zwei somalische Gast-Imame dabei beobachten, wie sie nach der Predigt jungen Gläubigen radikales Gedankengut propagierten. Ein Imam einer Zürcher Moschee, der anonym bleiben wollte, erzählte dem Experten, dass sich die islamische Gemeinschaft der Existenz radikaler Moscheen bewusst sei, doch viel liesse sich nicht machen, da die «lächerlichen Gesetze» der Schweiz zur Bekämpfung nicht ausreichen würden.

Auch positive Berichte von Moscheen

Der Journalist traf bei seiner Recherche aber auch auf Moscheen, die einen gemässigten und friedlichen Islam vertreten. So beschwerte sich der Imam der Zuger Fatih-Moschee, Hasan Ömvek, dass die radikalen Moscheen dem Islam und seinem Ansehen Schaden zufügen würden. «Hier wird die Religion missbraucht, um politische Ziele zu erreichen und Gewalt zu säen. Das darf nicht geduldet werden.» In seiner Moschee müssten die Imame Deutsch sprechen können und über die Schweizer Gesetze Bescheid wissen, sagte Ömvek. Zudem arbeite die Moschee eng mit den Behörden zusammen und meldet Fälle, bei denen Verdacht auf Extremismus besteht.

Shams Ul-Haq war selbst ein Flüchtlingskind. Als er 15 Jahre alt war, brachten Schleuser ihn und seine Familie von Pakistan nach Europa. Mittlerweile ist er deutscher Staatsbürger und arbeitet als Journalist und Terrorismusexperte.

Zur Webseite:
Publikation: Moscheen in der Schweiz (2015)

Zum Thema:
Radikale Moscheeprediger: Imame besser überwachen oder integrieren?
«Tschüss, ich geh in den #Krieg»: Was hilft gegen religiöse Radikalisierung? 
Wo Terror-Prävention beginnt: Mansour: «Radikalisierung hat in unserer Gesellschaft stattgefunden»

Datum: 20.10.2016
Quelle: PRO Medienmagazin

Werbung
Livenet Service
Werbung