58 Prozent Ja zum Partnerschaftsgesetz

Der neue Zivilstand steht Partnerinnen und Partnern offen, die „einander Besitand leisten und aufeinander Rücksicht nehmen“. Bild: Christopher Street Day in Zürich
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Die Schweiz schafft einen Zivilstand für gleichgeschlechtliche Paare. Dem Partnerschaftsgesetz stimmten im Referendum 58 Prozent der Stimmenden zu.

Schwule und Lesben können ab 2007 ihre Paarbeziehung staatlich registrieren lassen. Im Gegensatz zu Ehepaaren dürfen sie weder Kinder adoptieren noch zu Verfahren der Fortpflanzungsmedizin greifen.

Das verstädterte Mittelland sagt Ja

Abgelehnt haben das Gesetz ganz knapp die Kantone Uri, Schwyz und Jura, deutlicher das Tessin und Wallis, am stärksten der Thurgau und Appenzell-Innerrhoden (56 bzw. 57 Prozent Nein). Die grossen Mittelandkantone stimmten mit deutlichen Mehrheiten zu: Bern mit 58,1 Prozent, der Aargau mit 59,1 Prozent, die Waadt mit 60,5 Prozent, Zürich gar mit 64,2 Prozent.

In Basel-Stadt erzielten die Befürworter den Spitzenwert von 68,5 Ja-Stimmen. Basel-Land schloss sich mit 65,8 Prozent Ja an. Die landesweite Stimmbeteiligung beim Partnerschaftsgesetz lag bei vergleichsweise hohen 55 Prozent.

Lesben: „Nicht mehr als Menschen zweiter Klasse“

„Begeistert und mit Genugtuung“ hat die Lesbenorganisation Schweiz LOS die „überaus deutliche Zustimmung des Schweizer Stimmvolks“ zum Bundesgesetz zur Kenntnis genommen. «Vor zehn Jahren wäre eine solche Vorlage nie angenommen worden», äusserte Nicole Béguin, Co-Präsidentin der LOS. Weltweit zum ersten Mal habe die Bevölkerung eines Landes über die rechtliche Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren abstimmen können, schreibt die LOS auf ihrer Homepage.

Die Stimmenden hätten klar zum Ausdruck gebracht, „dass sie die Umsetzung der Bundesverfassung unterstützen und die stossenden rechtlichen Diskriminierungen gegenüber lesbischen und schwulen Paaren beseitigen wollen.“ Die Schweizer brächten mit dem Votum „den Lesben und Schwulen Respekt und Achtung entgegen. Dieses historische JA bedeutet für Lesben und Schwule in der Schweiz, sich in ihren Beziehungen nicht mehr als Menschen zweiter Klasse fühlen zu müssen.“

EDU: „Hoher Anteil an Nein-Stimmen“

Die Schwulenorganisation „Pink Cross“ hatte kurz vor dem Urnengang eine Zustimmung auch in der (stark umworbenen) Landbevölkerung von 56 Prozent ausgemacht – so hoch fiel die Zustimmung nun allerdings nicht aus. Entsprechend zeigt sich die EDU erfreut über den „hohen Anteil an Nein-Stimmen“.

Die Eidgenössisch-Demokratische Union bedauert den Volksentscheid und verweist in ihrer Pressemitteilung erneut auf die negativen Folgen des Partnerschaftsgesetzes. Es sei unfair gegenüber anderen Lebensgemeinschaften und setze „nicht nur ein falsches Signal an Kinder, Jugendliche, sondern auch falsche Prioritäten“.

Nein-Plakate heruntergerissen

Die EDU, die mit der EVP und christlichen Organisationen die Unterschriften für das Referendum gesammelt hatte, weist auf die knappe Kasse der Gegner hin. Und es „wurden zum Teil in gezielten Aktionen Plakate des Nein-Komitees systematisch herunter gerissen“.

Die EDU erwartet von den befürwortenden Politikern, dass sie zu ihren Aussagen im Referendumskampf stehen und sich gegen weitergehende Forderungen von Schwulen und Lesben (Adoptionsrecht) aussprechen werden.

EVP: Allein die Ehe garantiert den Fortbestand der Gesellschaft

Eben diesen Punkt rückt die Evangelische Volkspartei EVP Schweiz in den Vordergrund. Zwar habe die Mehrheit zum Ausdruck gebracht, „dass sie eine Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Paare mit der allein den Fortbestand der Gesellschaft garantierenden Ehe als richtig betrachtet“. Aber „das Schweizer Stimmvolk hat heute aber auch Ja dazu gesagt, dass Adoption und künstliche Befruchtung gleichgeschlechtlichen Paaren verwehrt bleiben.“

Vater und Mutter fürs Kind: Am Adoptionsverbot festhalten

EVP-Nationalrat Ruedi Aeschbacher, Co-Präsident des Gegnerkomitees, merkte an, die Befürworter hätten ihre Argumente mit Unterstützung der Medien lautstarker kommunizieren können. Er geht davon aus, dass die Befürworter nun die Adoption durch homosexuelle Paare fordern werden.

Das Resultat spiegelt in Aeschbachers Augen eine gesellschaftliche Beliebigkeit. Heutzutage bestehe ein Trend dazu, sich so wenig wie möglich an allgemeine gesellschaftliche Leitplanken zu halten, sagte der EVP-Präsident laut der NZZ. Dies führe zu einer Atomisierung der Gesellschaft.

Eltern ohne Aussicht auf Enkel

Die Befürworter hatten auch mit den Problemen der Eltern von Schwulen und Lesben argumentiert. Dementsprechend äusserte sich am Sonntagabend Fritz Lehre, Präsident der Freundinnen, Freunde und Eltern von Lesben und Schwulen. Er wisse aus der Praxis, dass 50 Prozent der betroffenen Eltern dieses Problem nicht verarbeiteten. Die Zustimmung zum Gesetz helfe ihnen, weil sie gesellschaftliche Akzeptanz für Homosexuelle anzeige.

Datum: 07.06.2005
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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