„Bin ich Luxus?“ – CVP zieht mit dem Baby in den Wahlkampf

Fröhliches Orange, weiches Baby-Gesicht: CVP-Wahlkampfplakat

Am Wochenende haben gleich drei Parteien die ‚heisse‘ Phase des Wahlkampfs eingeleitet. Die Christlichdemokratische Volkspartei CVP präsentierte sich am Samstag in Genf als Partei der Familien. Sie beschloss einstimmig und ohne Enthaltung, die Mutterschaftsversicherung zu unterstützen, die bereits vor dem Ende der Beratung durch das Parlament von einem SVP-Referendum bedroht ist.

Bundesrätin Ruth Metzler bezeichnete die Versicherung (14-wöchiger Urlaub für erwerbstätige Mütter mit 80% des Lohns) als eine der Säulen der künftigen Sozialpolitik. Mutterschaft sei keine Privatangelegenheit, sagte die CVP-Bundesrätin, die sich letztes Jahr für die Fristenlösung aussprach.

Von jenem 2. Juni 2002, als die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger den Rückzug des Staates aus dem Lebensschutz in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft besiegelten, war auch nichts zu hören in der Rede der St. Galler Nationalrätin Lucrezia Meier-Schatz, die eine familienpolitische Bilanz der Legislatur zog (jedenfalls schweigt der im Internet veröffentlichte Text zum Thema Abtreibung, das die grosse C-Partei zerriss).

‚Generationenvertrag retten‘

Der Parteipräsident, der Thurgauer Ständerat Philipp Stähelin, skizzierte die CVP-Stossrichtung. Die Partei verfolge eine undogmatische, „ethisch motivierte Politik, die auf christlich abendländischem Gedankengut gründet“. Stähelin warnte vor einem Zerfall der Gesellschaft durch Bevölkerungsrückgang. Schweizerinnen brächten heute im Durchschnitt 1.27 Kinder zur Welt. „Damit die natürliche Erneuerung der Generationen gewährleistet ist, müsste die Geburtenrate markant – auf zwei Babys – steigen.“

Nur mit einer stabilen Bevölkerung sei wirtschaftliches Wachstum möglich, sagte der Parteipräsident. Schon heute müssten weniger Erwerbstätige immer mehr Renten finanzieren. Stähelin forderte, dass die Familienpolitik ins Zentrum der politischen Arbeit rückt, „zur Rettung des Generationenvertrags“.

Ergänzungsleistungen

Lucrezia Meier-Schatz strich in ihrem Rückblick den Einsatz der CVP-Parlamentarier für die Einführung von Ergänzungsleistungen für Familien hervor. Aufgrund einer parlamentarischen Initiative der Partei werde derzeit eine Gesetzesvorlage ausgearbeitet.

Laut Meier-Schatz müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, „damit Familien unabhängig von ihrem Wohnort, bei gleichem Einkommen eine vergleichbare Kaufkraft haben und somit auch von ähnlichen Entfaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten profitieren“. Familien seien je nach Kanton verschieden gestellt, das sei stossend und müsse aufhören.

Jungen Eltern Mut machen

Die Familienpolitikerin erinnerte an Untersuchungen, wonach in der Regel „jedes Paar ein Kind weniger hat, als es sich eigentlich gewünscht hätte“. Daher will die CVP junge Paare „ermutigen, sich mit Freude für Kinder zu entscheiden; wir wollen jungen Eltern ermöglichen, die Anzahl Kinder zu haben, die sie sich wünschen“. Eltern stehe eine „angemessene Kinder- und Ausbildungszulage“ zu.

Dies strebt die CVP mit einem eidgenössischen Koordinationsgesetz an. Meier-Schatz: „Wir wollen endlich den Grundsatz ‚Ein Kind – eine Zulage‘ durchsetzen können.“ Sie soll mindestens 200 Franken betragen, auch wenn, wie die St. Galler Nationalrätin erläuterte, „die mit der Familiengründung einhergehende Einbusse beim Lebensstandard nur teilweise durch familienpolitische Massnahmen ausgeglichen werden kann“.

Familienbesteuerung

Bei der Reform der Familienbesteuerung, die von den Eidgenössischen Räten nach jahrelangem Tauziehen endlich verabschiedet wurde, rechnet sich die CVP entscheidende Verdienste an. Hier kamen die verschiedenen Verständnisse von Familie politisch zum Tragen, wie Lucrezia Meier-Schatz betonte:

Die CVP setze sich „klar und unmissverständlich für eine freie Wahl der Eltern über ihre Aufgabenteilung im inneren und äusseren Lebensbereich ein“. Daher wolle sie „keine Bestrafung eines gewissen Lebenskonzeptes“ akzeptieren. Mit der Reform werde die stossende steuerliche Diskriminierung von verheirateten Paaren gegenüber nicht verheirateten Paaren abgeschafft, sagte die St. Galler Abgeordnete. Gezielte Abzügen sollen die mittelständischen Familien steuerlich spürbar entlasten, auch auf kantonaler Ebene.

Kein Ausbildungsabzug

Die Vierjahresbilanz der CVP, die immerhin 35 Nationalräte und 15 Ständeräte gestellt hat, zieren weiter Vorstösse für wesentlich höhere Kinderabzüge, für einen Abzug für Kinderbetreuung und einen höheren Einelternabzug, „damit auch diese Familien bei gleichem Einkommen die gleiche Kaufkraft haben“. Der von der Partei vorgeschlagene zusätzliche Ausbildungsabzug sei einer unheiligen Allianz zwischen SP und FDP zum Opfer gefallen – „als ob diese Parteien die viel höheren Kosten der Jugendlichen in Ausbildung nicht wahr haben wollten“.

Kinder früh ausserhalb der Familie betreuen

Weiter erwähnte Lucrezia Meier-Schatz die Impulsfinanzierung des Bundes für familienergänzende Kinderbetreuungsplätze. Heute gehe eine Mehrheit der Mütter mit Kindern unter zehn Jahren einer Erwerbstätigkeit nach. Zudem sei eine „familienergänzende Betreuung für alle Kinder eine Bereicherung – unabhängig davon, ob sie nun in einer Klein(st)familie aufwachsen oder aus einer mit unterschiedlichsten Problemen behafteten Familie stammen“: So werde eine „frühe geeignete soziale Einbettung und Verankerung ermöglicht“.

Die CVP will laut ihrer Familienexpertin „aus entwicklungspsychologischen wie auch aus integrationspolitischen Überlegungen der familienergänzenden Kinderbetreuung eine grössere Aufmerksamkeit schenken“.

Datum: 27.08.2003
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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