"Designer-Babys" auf Bestellung?

Baby als Zell-Lieferant?

In England wird man bald das Geschlecht seines Kindes auswählen können. Durch einen Beschluss im englischen "House of Lords" (Oberhaus) fiel die letzte rechtliche Hürde für die Zeugung so genannter "Designer-Babys".

Das berichtete die englische Tageszeitung "Telegraph". Die Entscheidung betraf den Fall Raj und Shahana Hashimi, die Eltern eines kranken Sohnes namens Zain. Sie hatten eine Präimplantationsdiagnose (PID) beantragt, um auf diese Weise ein Kind zeugen zu können, dessen Stammzellen, die der Nabelschnur entnommen werden würden, zur Heilung ihres Sohnes beitragen sollten. Der Junge leidet an einer Blutkrankheit und muss deshalb häufig Transfusionen bekommen.

Heilung eines Geschwisterkindes

Die jüngste Entscheidung im verzwickten Gerichtsfall folgt auf ein Berufungsverfahren im Jahr 2003, das die Familie Hashimi gewonnen hatte. Das Siegesurteil war von Josephine Quintavalle, Vorsitzende der Pro-Life-Organisation "Comment on Reproductive Ethics" (CORE, "Kritische Stellungnahme zur reproduktiven Ethik"), angefochten worden. Nun sprachen sich die fünf für die Rechtssprechung zuständigen Lordrichter einstimmig dafür aus, dass die Genehmigung für eine künstliche Zeugung von Babys zum Zwecke der Heilung eines Geschwisterkindes von der "Aufsichtsbehörde für Künstliche Befruchtung und Embryologie" (HEFA) ausgestellt werden kann.

In einer Stellungnahme kritisierte Josephine Quintavalle die Entscheidung des englischen Oberhauses und bezeichnete es einen äusserst gefährlichen Präzedenzfall: "Die Lordrichter haben de facto erklärt, dass die 'Aufsichtsbehörde für Künstliche Befruchtung und Embryologie' tun kann, was sie will, solange sie nicht ausdrückliche Verbote vorgesetzt bekommt."

Tür und Tor geöffnet

Das Problematische bei dieser Entscheidung sei nicht so sehr die Tatsache, dass Babys in einem Labor gezeugt würden, um passende Zellgewebe zu erhalten. Viel schlimmer sei es, dass die Entscheidung generell Tür und Tor für die Erzeugung von "Designer-Babys" öffne, gab Quintavalle zu Bedenken. "Nach dieser Gesetzesinterpretation darf sich eine Mutter nun alles wünschen, wovon sie meint, es sei für ihr Baby gut."

Die Zulassung der Zeugung von so genannten "Designer-Babys" in Grossbritannien wurde bereits mit dem Gerichtssieg der Familie Hashimi im Jahr 2003 so gut wie festgeschrieben. Am 25. November berichtete der "Telegraph", dass der britische nationale Gesundheitsdienst ("National Health Service") für Ehepaare die Zeugung jener Babys bezahlen werde, die gebraucht würden, um Stammzellen für ihre Geschwister zu liefern. Mindestens drei englische Gesundheitsbehörden hätten Paaren staatliche finanzielle Unterstützung zugesagt, die ein als Spender geeignetes Geschwisterchen erzeugen wollten.

Am 29. November erschien in der "Times" ein Bericht über jenes Paar, das das erste "Designer-Baby" in England gezeugt hatte. Nach einer IVF-Behandlung hätte man ein Embryo ausgewählt, dessen Nabelschnur als Stammzell-Lieferant für den Sohn des Paares dienen sollte, der an Anämie leidet. Es gebe auch noch andere britische Paare, die derartige "rettende Geschwister" zur Welt gebracht hätten. Allerdings in den USA, da ein solches Verfahren dort gesetzlich erlaubt gewesen sei.

Ethische Massstäbe werden verrückt

Über eine weitere Lockerung der Bestimmungen für "Designer-Babys" in Grossbritannien berichtete die "Times" am 7. März. Die HFEA habe Ärzte dazu ermächtigt, Operationen an Designer-Babys vorzunehmen, um Knochenmark zu gewinnen. Früher, so wird im Artikel erklärt, sei es nur erlaubt gewesen, Blut und Zellen aus der Nabelschnur zu entwenden und zu benutzen. Diese Bestimmungen habe die Aufsichtsbehörde still und heimlich, ohne die Öffentlichkeit davon in Kenntnis zu setzen, gelockert. Schliesslich seien sie aber doch – nur aufgrund des Gesetzes über die Informationsfreiheit – ans Tageslicht gekommen.

Dazu erklärte Josephine Quintavalle, die HFEA habe "die ethischen Massstäbe einfach verrückt" und dabei die Öffentlichkeit weder zu Rate gezogen noch Informationsarbeit geleistet. "Eine Knochenmarksentnahme ist überhaupt kein harmloser, sondern ein oft sehr schmerzhafter Eingriff, gerade für ein kleines neugeborenes Baby, dem das Verfahren überhaupt nicht nützt und das nicht in der Lage ist, sein Einverständnis zu geben. Dass ein Baby für einen derartigen Zweck geschaffen werden soll, ist für mitfühlende und zivilisierte Bürger unvorstellbar."

Lizenz zum „eliminieren“

Auch eine andere Massnahme der HFEA hatte Unmut innerhalb der britischen Bevölkerung hervorgerufen: Embryonen, bei denen der Verdacht besteht, von ihren Eltern ein Gen für eine bestimmte Form von Darmkrebs geerbt zu haben, dürfen nämlich gemäss den neuen Richtlinien eliminiert werden.

BBC meldete schon am 1. November 2004, dass Forschern des Londoner "University College" von der Embryologiebehörde eine entsprechende Lizenz erhalten hätten. Angeblich bestehe nämlich bei jenem Elternteil, der das für diese Art Krebs verantwortliche Gen besitzt, eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass er oder sie dieses Gen an ihre Kinder vererben. Mit einem solchen Gen könne man aber im Teenageralter an Mastdarm- oder Dickdarmkrebs erkranken.

Zu der Lizenzerteilung erklärte Dr. Mohammed Tarannisi, Direktor des "Zentrums für assistierte Reproduktion und Gynäkologie" mit Sitz in London gegenüber der BBC, die jüngste Entscheidung hätte "einem breiteren Publikum bekannt gemacht werden müssen".

In der BBC-Sendung "Radio 4 Today" äusserte er sich mit den Worten: "Es handelt sich hier um Krankheiten, die 20, 30, 40 Jahre später ausbrechen können oder eben auch nicht. Wird hier das Richtige getan? Es steht der Embryologiebehörde (HFEA), drei Mitgliedern derselben oder gar einem im Krankenhaus tätigen Arzt wie mir nicht zu, derartige Entscheidungen zu fällen. Das ist eine Sache, die unbedingt in angemessener Form (in breiter Öffentlichkeit) angemessen ausdiskutiert werden muss."

Geboren, um einem älteren Kind zu helfen

Agneto Sutton, Dozent an der theologischen Fakultät der Universität von Chichester in England, äusserte sich vor kurzem zu ethischen Fragen, die mit der Erzeugung von "Designer-Babys" verbunden sind. In dem italienischen Magazin für Bioethik "Medicina e Morale" schrieb er in der Ausgabe Nr. 6, dass das Ziel, ein krankes Kind zu retten, natürlich an sich sehr lobenswert sei. Dennoch könne dieses Ziel "nicht jedes Mittel rechtfertigen".

Sutton betonte, die HFEA habe nicht ausreichend beweisen können, dass das PID-Verfahren tatsächlich keine schlimmen Auswirkungen auf die betroffenen Kinder haben würde. Wie werde ausserdem, so fragte er, ein solches Kind wohl reagieren, wenn er erfahre, dass es nur dazu geboren wurde, um einem älteren Kind zu helfen? "Ist dies mit der Würde dieses Menschenkindes vereinbar?", fragte er. So etwas könne zu grossen psychischen Leiden führen, gab der Akademiker zu Bedenken.

Auch für die betroffenen Eltern sei die Entscheidung für ein "Designer-Baby " bzw. ein "rettendes Geschwisterchen" ("savior sibling") problematisch, denn ein solches Kind werde ja instrumentalisiert, und man würde es eben nicht vorbehaltlos – als das, was es ist – annehmen. Schon die englische Bezeichnung "savior" ("Retter") sei falsch: Wenn man von einem Retter spreche, so meine man im Regelfall doch jemanden, der aktiv und willentlich eingreift. Die Babys, die als Zell-Lieferanten ausgewählt würden, seien aber keine solchen "Retter", weil sie nur völlig passiv seien und dazu noch wie eine Ware behandelt würden.

Datum: 11.06.2005
Quelle: Zenit

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