Wenn psychisch Kranke sterben wollen: Exit unter Konkurrenzdruck

Hände

Das Recht auf Selbstbestimmung stellen sie über alles, die so genannten Sterbehelfer. Exit, die grösste derartige Organisation in der Schweiz, wird konkurrenziert von Dignitas, die auch psychisch Kranken bei der Selbsttötung assistiert. Nun will Exit solche Gesuche nicht mehr grundsätzlich abweisen. Die EVP hat gegen den Beschluss protestiert.

Beihilfe zum Suizid ist in der Schweiz straflos, wenn sie nicht "aus selbstsüchtigen Beweggründen" erfolgt. Der Suizidwillige muss aber urteilsfähig sein. Weil bei psychisch kranken Menschen die Frage der Urteilsfähigkeit in den meisten Fällen nicht eindeutig zu beantworten ist, beschloss die Sterbehilfeorganisation Exit 1999 ein Moratorium, dass bei psychisch Kranken keine Sterbehilfe geleistet werde. Der Exit-Vorstand will dieses nun lockern.

Diskriminierung – oder Schutz?

In den vergangenen Jahren sei das Moratorium innerhalb der Organisation immer stärker in die Kritik geraten, schreibt Exit in einer Mitteilung. Durch das Moratorium werde "psychisch kranken Menschen prinzipiell die Urteilsfähigkeit abgesprochen, was nicht nur im Widerspruch stehe zur Realität, sondern in der Konsequenz auf eine nicht haltbare Diskriminierung psychisch Kranker“ hinauslaufe. Exit habe darum ein wissenschaftliches Gutachten in Auftrag gegeben.

Der nun vorliegende Bericht "Urteilsfähigkeit und Menschen mit psychischen Störungen" komme zum Schluss, dass bei Menschen mit psychischen Störungen der Suizidwunsch zwar meistens in einem kausalen Zusammenhang stehe mit ihrer psychischen Krankheit, was einen begleiteten Suizid ausschliesse. Es gebe daneben "aber durchaus Fälle, wo der Wunsch eines psychisch Kranken, aus diesem Leben zu gehen, als Willensentscheidung eines urteilsfähigen Menschen zu qualifizieren und deshalb zu respektieren ist".

Experten über Leben und Tod

Nach einer intensiven Phase der Meinungsbildung habe der Vorstand von Exit am 10. November beschlossen, das Moratorium insofern zu lockern, als Gesuche von psychisch Kranken in Zukunft nicht mehr generell abgewiesen werden. Wenn die Voraussetzungen für einen begleiteten Suizid erfüllt seien und auch die Urteilsfähigkeit glaubhaft geltend gemacht werde, soll "ein Gesuch in Zukunft im sorgfältig, gegebenenfalls mit einem psychiatrischen Gutachten geprüft werden".

Ist die Frage der Urteilsfähigkeit in Bezug auf den Todeswunsch nicht eindeutig positiv zu beantworten, will Exit psychisch Kranke auch in Zukunft nicht begleiten. Der Empfehlung des Expertenberichts folgend, werde Exit "nach einer angemessenen Frist die Erfahrungen auswerten und die neue Praxis überprüfen".

EVP „zutiefst bestürzt und besorgt“

Die Evangelische Volkspartei EVP äussert sich in einer Pressemitteilung „zutiefst bestürzt und besorgt“ über den Exit-Entscheid. Psychisch kranke Menschen brauchen laut der EVP „in ihrer Verzweiflung in erster Linie intensive Hilfe und nicht Gespräche über Beihilfe zur Selbsttötung. Oft ist viel Geduld nötig, bis eine Besserung eintritt.“ Die kranken Menschen müssten „spüren, dass trotz ihrer schweren Krankheit menschliche Würde in ihnen lebt. Freitodhilfe unterläuft solche Bemühungen diametral.“

Zudem verweist die EVP darauf, dass sogar Menschen mit unheilbaren körperlichen Krankheiten nach einigen Monaten oft ihre Einstellung zum Sterben ändern. Sie bezweifelt die Urteilsfähigkeit von seelisch Leidenden.

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www.livenet.ch/www/index.php/D/article/1961/18098/

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Datum: 16.11.2004
Quelle: Kipa

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