Embryonen: Material für Forscher?

Jedes Kind, jeder Mensch war einmal ein Embryo

Erneut sprechen die Landeskirchen nicht mit einer Stimme zu einer ethischen Frage, die an der Urne entschieden wird: der Nutzung von embryonalen Stammzellen zur medizinischen Forschung.

Am 28. November kommt das Stammzellenforschungsgesetz vors Volk, da das Referendum ergriffen wurde. Weil bei der künstlichen Befruchtung im Reagenzglas „überzählige“ Embryonen erzeugt werden (obwohl dies nie erlaubt wurde), wollen Wissenschafter mit diesem Material forschen. Bei der Gewinnung der Stammzellen werden die Embryonen abgetötet.

Menschenwürde verachtet'

Die Gegner lehnen das Gesetz ab, weil es einzig darauf ziele, Embryos für Forschungszwecke töten zu dürfen. Es trete das Kindswohl mit Füssen und ziehe das Klonen nach sich, erklärte das Komitee verschiedener Lebensrechtsorganisationen und der evangelischen und katholischen Ärztevereinigungen AGEAS und VKAS. Das Gesetz würde der Schweiz eine „internationale Spitzenposition in der Verachtung der Menschenwürde“ einbringen, warnt das Komitee.

7-tägige Embryos töten'

„Wir befürworten die Forschung mit adulten Stammzellen, die aus dem geborenen Körper gewonnen werden, ohne menschliche Embryos zu zerstören“, sagte Antoine Suarez von der Gesellschaft für Bioethik vor den Medien. „Dagegen verwerfen wir die Forschung mit embryonalen Stammzellen, weil man dabei siebentägige Embryos tötet und instrumentalisiert.“ (Der Gesetzestext verbietet die Entnahme von Stammzellen nach dem siebten Tag.)

Diesen Argumenten folgt der Rat des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds SEK nicht. Er findet, das Gesetz setze der Embryonenforschung „klare Leitplanken“. Es sei ethisch vertretbar, überzählige embryonale Stammzellen „der Forschung zu übergeben statt sie zu vernichten“. Mit dem Gesetz werde das Risiko des Missbrauchs solcher Embryonen vermindert.

Es gibt eine Alternative

Die Schweizer Bischöfe pochen dagegen wie in der Abtreibungsfrage auf den Schutz des werdenden Lebens. Sie verweisen auf die Alternative, mit Stammzellen von geborenen Menschen (adulte Stammzellen) zu forschen, und halten fest: „Der Embryo entwickelt sich nicht zum Menschen, sondern von Anfang an als Mensch. Deshalb ist die Schutzwürdigkeit von allem Anfang an voll gegeben. Auch der Embryo besitzt Menschenwürde.“

'Menschliches Material'

Es ist bezeichnend, dass die reformierten Ethiker des SEK den Begriff der Würde überhaupt vermeiden. Die Stammzellen (die der Embryo liefert) sind für sie „menschliches Material“, die nicht „als (lebende) Person, ja nicht einmal als heranwachsender Fötus betrachtet werden können.“ Eine „Sakralisierung“ der aus menschlichen Embryonen gewonnenen Zellen sei zu vermeiden, schreibt der SEK. Immerhin hält er fest, das menschliche Material sei „aus einem Organismus hervorgegangen, der sich unter bestimmten Umständen zu einem menschlichen Wesen hätte entwickeln können.“

Faktisch lässt sich der Rat SEK auf die Heilungsversprechen (in ferner Zukunft) und das Argument der Forscher ein, die auf die Freiheit im Ausland verweisen: „…Vom Geschäft mit den embryonalen Stammzellen erwarten die Investoren hohe Gewinne für die Zukunft. (…) Das neue Gesetz weist einen guten Weg. Mit einem absoluten Verbot der Stammzellenforschung in der Schweiz würde unser Land dennoch von im Ausland möglichen Forschungsergebnissen profitieren, was ethisch fragwürdig wäre.“

Ärzte kritisieren Kirchenbund

In einer Stellungnahme kritisieren die beiden Ärztevereinigungen, dass der SEK mit keinem Wort auf die Alternative, die Forschung mit adulten Stammzellen, eingeht. „Ein wirklicher Vorteil der embryonalen Stammzellen für die Bekämpfung von Krankheiten ist bisher höchstens theoretischer Natur und nicht einmal im Tierversuch bewiesen worden.“

Die AGEAS und die VKAS rufen dem SEK in Erinnerung, dass in der Bibel nicht nur das Gebot, die Erde zu gestalten, zu finden ist, sondern auch das Verbot, Menschen zu töten, dazu „noch sehr viele andere Stellen, die aussagen, dass der Mensch nie instrumentalisiert und sein Leben, und sei es auch für einen guten Zweck, geopfert werden darf.“ Anders als der Rat SEK habe der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in der Debatte um den Import von Stammzellen konsequent am Embryonenschutz festgehalten.

Ein ‚Tabubruch’ mit Folgen

Laut den Ärzten schlägt das Gesetz einen Weg ein, "der das Tabu der Forschung mit Embryonen bricht". Sie sagen voraus, dass wegen der „als zu restriktiv beurteilten Rahmenbedingungen weitere Gesetze folgen werden, die unter dem Druck der Wissenschaft weitere Liberalisierungen über das therapeutische Klonen bis zum reproduktiven Klonen beinhalten.“

Forum: Ihre Meinung zum Thema

Text des Stammzellenforschungsgesetzes:
www.admin.ch/ch/d/

SEK-Stellungnahme:
www.sek-feps.ch/media

Kritik der Ärztevereinigungen am SEK-Papier:
medcath.ch/Kommentar-zu-SEK-details

Stellungnahme der Bischofskonferenz:
http://www.kath.ch/sbk-ces-cvs

Datum: 02.11.2004
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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