Stammzellen: Schröder will «Forschung ohne Fesseln» - und erntet Kritik

Gerhard Schröder in Göttingen
Menschlicher Embryo im Frühstadium

In der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und bei Politikern hat der Vorstoss von Bundeskanzler Gerhard Schröder zur Lockerung der Vorschriften für verbrauchende Emybronenforschung Widerspruch hervorgerufen.

Der Regierungschef vernachlässige in seinem Plädoyer für eine «Forschung ohne Fesseln» die Frage, ob der Preis zur Erreichung hochrangiger Ziele wie Heilung auch ethisch vertretbar sei, sagte EKD-Vizepräsident Hermann Barth.

Auch wer die Bedenken der Kirchen gegen die Embryonenforschung nicht teile und sich für die Ethik des Heilens und Helfens stark mache, dürfe sich der Frage nach der ethischen Vertretbarkeit der eingesetzten Mittel nicht entziehen, betonte der Theologe, der auch dem Nationalen Ethikrat angehört.

«Welchen Preis dürfen wir bezahlen, welchen Preis wollen wir bezahlen», sei die entscheidene Prüffrage, fügte Barth hinzu. Die Forschung des Kanzlers nach einer «Kultur der Forschung ohne Fesseln, aber nicht ohne Grenzen» nannte der EKD-Cheftheologe widersprüchlich.

Ehrendoktor Schröder

Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte am Dienstag, als er in Göttingen die Ehrendoktorwürde entgegennahm, für eine Lockerung der deutschen Vorschriften zur Forschung mit embryonalen Stammzellen plädiert. Die Bundesrepublik werde sich der internationalen Tendenz zur Liberalisierung dieser Forschung nicht entziehen können, sagte der Kanzler.

«Deutschland darf in der Genforschung den Anschluss nicht verpassen», forderte Schröder: «Dann wären wir von der Mitsprache über die Nutzung und der Kontrolle der Verfahren ausgeschlossen.»

Den Ängsten und Bedenken aus christlichen oder ethischen Motiven stellte Schröder seine persönliche Überzeugung entgegen: Er halte es für den falschen Weg, sich den Chancen des wissenschaftlichen Fortschritts zu verschliessen, nur weil es Risiken gebe. «Wir dürfen der Wissenschaft nicht vorschnell Optionen aus der Hand nehmen», sagte der Kanzler. Solange es die Chance gebe, heute noch unheilbare Krankheiten zu bekämpfen, «haben wir die Pflicht, diese Forschung zu nutzen».

Ablehnung auch beim Koalitionspartner

Bei CDU und den Grünen stiessen Schröders Forderungen am Dienstag in Berlin auf Ablehnung. Der Sprecher der Grünen sagte,der fraktionsübergreifende Kompromiss des Bundestag zur Stammzellforschung sei ein hohes Gut. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, sagte, dass die Forschungsfreiheit ihre Grenzen bei der Menschenwürde finde. Das menschliche Leben verdiene Schutz um seiner selbst willen. Daher müsse es verboten bleiben, Embryos zu zerstören, um Stammzellen zu gewinnen.

Der Obmann der Unionsfraktion in der Ethik-Enquetekommission, Thomas Rachel, warf Schröder einen Kurswechsel in der Biopolitik vor. Die ethische Bewertung dürfe nicht von wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Erfolgen abhängig gemacht werden.

In Deutschland darf nur mit embryonalen Stammzellen geforscht werden, die im Ausland vor dem 1. Januar 2002 gewonnen wurden. Die Stammzellisolierung aus Embryonen, die durch künstliche Befruchtung entstanden, ist verboten

Datum: 16.06.2005
Quelle: Epd

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