Europäische Langzeitstudie: Sexualmoral im Wandel

Universität Köln

Köln. Die Sexual- und Familienmoral der Europäer hat sich nach einer Studie in den vergangenen 20 Jahren stark verändert. Dagegen blieben die Normvorstellungen bezüglich Eigentum und staatsbürgerlichen Pflichten weitgehend gleich, wie Sozialwissenschaftler der Universität Köln bei der Vorstellung der international angelegten Wertestudie mitteilten.

In einer Langzeitstudie wurde zwischen den Jahren 1981 und 1999 untersucht, welche Werte in Europa gelten. Wo sind die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede zwischen einzelnen europäischen Ländern? Das wollte ein internationales Forscherteam wissen und hat eine europaweite Wertestudie durchgeführt. So wollten die Wissenschaftler erkennen, was den Menschen in den 34 teilnehmenden Ländern wichtig ist und was nicht, welche sexuellen und bürgerlichen Moralvorstellungen in den Ländern vorherrschen und welchen Stellenwert die Religion im Leben der Bürger hat. Dazu wurden rund 1000 Einwohner pro Land dreimal befragt, so sind die Wissenschaftler in der Lage, sowohl die Länder untereinander als auch die moralische Entwicklung der Menschen in den vergangenen 20 Jahren zu vergleichen.

"Ich glaube nicht, dass es so eine Studie schon mal gab“, sagte Pieter Drenth, Vorsitzender der Stiftung der Wertestudie. Die Werte der Menschen zu kennen sei wichtig, weil eine europäische Zusammenarbeit über eine politische und wirtschaftliche hinausgehen müsse. Nach der Studie könne man nicht mehr pauschal sagen, dass in Deutschland ein Werteverfall stattfinde. Das müsse differenzierter betrachtet werden, meint Drenth.

Während moralische Normen im Bereich von Sexualität und Familie in den vergangenen Jahren ins Wanken geraten seien, wären bürgerliche Normen recht konstant geblieben. So halte die Mehrheit der Befragten Steuerhinterziehung, Bestechung von Beamten oder eine Spritztour im gestohlenen Wagen für absolut unzulässig. Dagegen habe sich die Einstellung gegenüber Homosexualität, Scheidung oder Abtreibung deutlich gelockert. Im Bereich Sexualität und Familie sei eine klare Tendenz zu mehr Liberalität und Freizügigkeit festzustellen. Diese Moralvorstellungen seien beim Übergang zur Dienstleistungsgesellschaft in allen Ländern wesentlich stärker unter Druck geraten als die "klassischen bürgerlichen Tugenden".

Zwischen den Ländern lassen sich gerade in Sachen Sexualität grosse Unterschiede feststellen: Dänemark zum Beispiel erwies sich als sehr freizügiges Land, die Bewohner der Insel Malta scheinen genau das Gegenteil zu sein.

Gottesglaube und Kirchgang

Auch die Annahme, dass in Europa eine Verweltlichung stattfinde, weil die Zahl der Kirchgänger sinke, sollte nach der Wertestudie überdacht werden. Der Kölner Sozialwissenschaftler Professor Wolfgang Jagodzinski, der an dem Projekt mitwirkte, interpretiert die deutschen Zahlen so, dass es zwar Unterschiede zwischen den Generationen gebe, doch dass seit 1981 in den jüngeren Generationen eine leichte Erhöhung derjenigen festzustellen sei, denen Gott wichtig ist.

Die Religiosität nahm jedoch in allen europäischen Ländern deutlich ab. Je niedriger die Häufigkeit des Kirchgangs in einem Land ist, umso weniger wichtig ist der Bevölkerung Gott, wie Jagodzinski sagte. Dabei münde sinkende Kirchenbindung nur selten in kämpferischen Atheismus. Das Ergebnis schwindenden Glaubens sei vielmehr Gleichgültigkeit.

Quellen: Kipa/Livenet

Datum: 30.04.2003

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