Zehn Jahre nach Rio: Endlich Taten statt Worte

„Schluss mit den Unverbindlichkeiten“: Greenpeace blockiert 10 Eisenbahnwagen mit Tropenholzstämmen aus Afrika

Bern. "Schluss mit den Unverbindlichkeiten!" fordern Schweizer Nichtregierungsorganisationen mit Blick auf den UNO-"Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung" von Ende August in Johannesburg. Zehn Jahre nach Rio seien Taten statt Worte gefragt, betonten sie am Dienstag vor den Medien in Bern und forderten den Bundesrat auf, sich in Johannesburg für klare und verbindliche Beschlüsse einzusetzen. - Die Konferenz in Johannesburg sollte ursprünglich einen entscheidenden Schritt bei der Umsetzung der Postulate von Rio markieren. Schon vor zehn Jahren hatte sich die Welt dort auf einen nachhaltigen Kurs in den drei Bereichen Wirtschaft, Soziales und Umwelt verpflichtet.

Doch von den hehren Versprechungen des Weltgipfels 1992 in Rio sei wenig in die Tat umgesetzt worden, kritisierten die Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke Swissaid, Fastenopfer, Brot für alle, Helvetas und Caritas sowie die Umweltorganisation Greenpeace am Dienstag an einer Medienkonferenz in Bern. Die Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke und Greenpeace werden als Teil der Schweizer Delegation die Verhandlungen des nächsten UNO-"Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung" mitverfolgen.

"Das ist die (!) zentrale UNO-Konferenz der letzten Jahrzehnte", betonte Delegationsmitglied Rosmarie Bär von der Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke die Bedeutung der Weltkonferenz in Johannesburg. Auf der Agenda stehen drängende Fragen wie die Halbierung der Zahl der Ärmsten bis zum Jahr 2015, der Zugang zu sauberem Trinkwasser für alle, die Versorgung von zwei Milliarden Menschen mit Energie sowie die Bekämpfung der Aids-Epidemie.

Politik der permanenten Liberalisierung

Der Erdgipfel von Rio im Jahre 1992 habe gute Grundlagen geschaffen, um einen Kurswechsel in Richtung nachhaltige Entwicklung einzuleiten, erklärte Madeleine Bolliger von der Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke. Doch seien diese Beschlüsse dann aber kaum umgesetzt worden. Im Jahrzehnt seit Rio sei vielmehr eine Politik der permanenten Liberalisierung und der wirtschaftlichen Globalisierung voran getrieben worden.

Das habe die Armut und die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen verschärft und der ganzen Welt ein Entwicklungsmuster aufgezwungen, das "Rio" als "nicht nachhaltig" bezeichnet hatte. Im Hinblick auf Johannesburg kritisierte Madeleine Bolliger die Absicht vieler Staaten, statt auf verbindliche Aufträge an die Regierungen auf freiwillige Partnerschaftsinitiativen zu setzen.

Ressourcenverbrauch wie noch nie

Heini Glauser, Stiftungsratspräsident von Greenpeace Schweiz, verwies auf das Problem Energie als Schlüsselelement einer nachhaltigen Entwicklung. Im krassen Gegensatz zu den hehren Zielen sei die Zeit seit Rio von einem noch nie da gewesenen Ressourcenverbrauch gekennzeichnet. Von 1992 bis 2001 sei ein Viertel des gesamten CO2 ausgestossen worden, das durch Energienutzung in den letzten 200 Jahren erzeugt worden sei.

In Johannesburg seien nicht weitere schöne Worte gefragt, sondern konkrete Vereinbarungen: zur Umsetzung des Kyoto-Protokolls und für ein Aktionsprogramm "Erneuerbare Energien". Die zwei Milliarden Menschen, die heute keinen Zugang zu Elektrizität haben, sollen damit ihre Energie-Grundbedürfnisse, wie etwa Licht und Wasserpumpen, decken können.

Greenpeace-Vertreterin Alexandra Capeder rief die Schweizer Delegation auf, sich in Johannesburg hartnäckig für ein globales Haftungsrecht bei Umweltschäden einzusetzen. In Rio hätten sich die Staatschefs für das konsequente Verursacherprinzip ausgesprochen; passiert sei jedoch wenig.

Capeder verwies auf eine Greenpeace-Studie, die belegt, dass Konzerne selbst bei schwersten Umweltverbrechen zu oft straffrei davon kommen. Als Beispiel nannte sie die Bhopal-Katastrophe: Die verantwortliche Dow Chemical weigert sich bis heute, auf die Klagen der Opfer einzugehen.

Schweiz hat Hausaufgaben nicht gemacht

Nicht nur im Ausland, auch in der Schweiz sei die Umsetzung der Rio-Beschlüsse ungenügend, kritisierte Hilfswerk-Vertreterin Rosmarie Bär. Sie warf dem Bundesrat vor, er habe die in Rio gefassten Hausaufgaben nicht erfüllt: "Die Schweiz ist weit von einer nachhaltigen Entwicklung entfernt."

Zwischen dem fortschrittlichen Auftreten der Schweiz auf dem internationalen Parkett und ihren innenpolitischen Taten klaffe ein grosser Widerspruch. So nehme sie etwa beim UNO-Jahr der Berge international eine Führungsrolle ein, habe es aber bisher versäumt, die Protokolle der Alpenkonvention zu ratifizieren.

Bär forderte den Bundesrat auf, das Dossier "nachhaltige Entwicklung" endlich zur Chefsache zu erklären und eine dafür verantwortliche verwaltungsunabhängige Delegierte beziehungsweise einen Delegierten zu ernennen.

Datum: 15.08.2002
Quelle: KIPA

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