Migration: Strikte Zulassungsbeschränkung auf besonders qualifizierte Arbeitskräfte umstritten

Bern. Am 1. Juni treten die bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union in Kraft, die in der Ausländerpolitik ein Freizügigkeitsabkommen beinhalten. Kurt Rohner vom Bundesamt für Ausländerfragen stellte am Donnerstag an der Jahresversammlung von "migratio" in Bern das angestrebte duale Zulassungssystem im neuen Ausländergesetz vor. Gewerbeverbandssekretär Rudolf Horber wollte das System vor allem wegen der beschränkten Zuwanderung von gut qualifizierten Arbeitskräften aus den sogenannten Drittstaaten nicht in allen Teilen unterstützen. - Die Tagung von "migratio" war dem Thema "Arbeitspolitik und Arbeitsmarkt" gewidmet.

Kurt Rohner nahm zur "Ausländerpolitik des Bundes zwischen Ideal und Realität" Stellung. Dabei unterschied er zwischen Zulassungs- und Aufenthaltspolitik und meinte: "Die berufliche Qualifikation (...) als Zulassungskriterium dient insbesondere der Gewährleistung einer längerfristigen Integration in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft."

Der Staat müsse aber auch dafür sorgen, "dass denjenigen Menschen, die um Asyl nachsuchen oder die sonst in schwerer persönlicher Notlage sind, vorübergehend, notfalls auch dauernd, Aufenthalt geboten werden kann." Die Rechtsgrundlage dafür liege vorab im neu revidierten Asylgesetz. Im Vordergrund der bundesrätlichen Ausländerpolitik steht das Freizügigkeitsabkommen, welches inzwischen von 19 Staaten unterzeichnet worden ist. Dabei soll auf dem Arbeitsmarkt der freie Markt zum Tragen kommen.

Duales Zulassungssystem

Beim von Rohner vorgestellten dualen Zulassungssystem wird einerseits die Personenfreizügigkeit gegenüber der EU/EFTA-Staaten und "andererseits eine zahlenmässig beschränkte Zuwanderung von gut qualifizierten Arbeitskräften nach einheitlichen Massstäben aus allen übrigen Ländern (den sogenannten Drittstaaten) angewandt."

Rohner betonte, dass für alle übrigen Personen das neue Ausländergesetz zur Anwendung kommen werde. Es gelte zu berücksichtigen, dass "mehr als 20 Prozent der schweizerischen Gesamtbevölkerung das Schweizer Bürgerrecht nicht besitzt." Betrachte man die erwerbsaktive Bevölkerung, so liege der Ausländeranteil bei über 25 Prozent. Rund ein Viertel des gesamten Arbeitsvolumens in der Schweiz werde von knapp einer Million erwerbstätigen Ausländerinnen und Ausländern erarbeitet.

Verbesserungen mit der neuen Ausländerpolitik

Rohner fasste das klare Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens zum Gesetzesentwurf zusammen: "An der grundsätzlichen Trennung zwischen dem Asyl- und dem Ausländerbereich soll festgehalten werden. Im Asylbereich stehen humanitäre Verpflichtungen im Vordergrund – im Ausländerbereich dagegen insbesondere die Zulassung der dringend benötigten qualifizierten Arbeitskräfte."

Die "gezielte selektive Zuwanderung" von ausländischen Arbeitskräften bleibe ein zentrales Element für die weitere Entwicklung der Schweizer Volkswirtschaft, des Wirtschaftsstandorts Schweiz und seiner Wettbewerbsfähigkeit, aber auch für die Sicherung der Schweizer Sozialeinrichtungen.

Der Bundesrat wolle am Grundsatz der Zulassung von qualifizierten Arbeitskräften, Spezialisten, Führungskräften aus Drittstaaten festhalten. Bei der Zulassung ausserhalb des EU/EFTA-Bereichs solle daher jenen Arbeitskräften der Vorzug gegeben werden, deren Integration in den schweizerischen Arbeitsmarkt und in die inländische Gesellschaft auch längerfristig die grössten Erfolgschancen habe.

Streitpunkt qualifizierte Arbeitskräfte

Rudolf Horber, Vertreter des Schweizerischen Gewerbeverbandes, sprach für die kleineren und mittleren Unternehmen und bemerkte: "Die Schweiz verdankt einen schönen Teil ihres Wohlstandes den erwerbstätigen Ausländern." Der umstrittenster Punkt beim neuen Ausländergesetz ist aus der Sicht des Gewerbeverband die "strikte Zulassungsbeschränkung auf besonders qualifizierte Arbeitskräfte, die wir ablehnen."

Eine Zulassung von unqualifizierten Arbeitskräften solle nicht zum vornherein auf Gesetzesstufe verunmöglicht werden, meinte Horber. Es bestehe die Gefahr, dass sozial privilegierte und besser ausgebildeter Schichten bevorzugt behandelt würden.

Horber: "Selbstverständlich kann es nicht darum gehen, massenweise billige, unqualifizierte Arbeitskräfte ausserhalb des EU/EFTA-Raumes zu rekrutieren, um damit strukturschwachen Branchen über die Runden zu helfen. Die Türe ist für unqualifizierte Arbeitskräfte nicht sperrangelweit, sondern nur einen Spalt zu öffnen, um nötigenfalls der Wirtschaft helfen zu können, ohne gleich das Gesetz wieder ändern zu müssen."

Weiter forderte er: "Die laufende Revision des Asylgesetzes sollte dazu benutzt werden, die Attraktivität der Schweiz als Asylland zu senken." Dagegen unterstütze der Gewerbeverband zusätzliche Massnahmen zur besseren Integration der Ausländer in der Schweiz. "Wenn ein Ausländer einmal die (etwas höher anzusetzende) Hürde der Einreise in die Schweiz genommen hat, soll er gut behandelt und möglichst vollständig integriert werden."

Familienorientierte Integration

An der vorgängig durchgeführten Mitgliederversammlung von "migratio" stellte die St. Gallerin Lucrezia Meier-Schatz, abtretende Präsidentin der Kommission für Sozialfragen, die neu erarbeiteten Thesen von "migratio" zur Ausländerpolitik vor, die den Akzent im Ausländergesetz auf eine "familienorientiere Integration" setzen wollen.

Die Kommission der Schweizer Bischofskonferenz für Migration wird derzeit vom Tessiner Fulvio Caccia präsidiert. Zu ihren Hauptaufgaben gehört die Planung und Strukturierung der Fremdsprachigenseelsorge in der Schweiz. Nachfolger von Lucrezia Meier-Schatz an der Spitze der Kommission für Sozialfragen ist der Freiburger Denis Torche. Der Genfer Jean-Paul de Sury, Präsident der Kommission für Pastoralfragen, wird durch den St. Galler Markus Büchel ersetzt.

Datum: 27.05.2002
Quelle: Kipa

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