US-Megachurch am Schlingern

Pastor Mark Driscoll zieht Konsequenzen aus Kritik

Mark Driscoll, einer der bekanntesten Evangelikalen in den USA und Pastor der Mars Hill Church in Seattle, hat am letzten Sonntag einen «mindestens sechswöchigen Rückzug» aus dem Dienst angekündigt. Die Kritik an seiner Person hatte sich in den letzten Monaten verdichtet.
Mark Driscoll kündigt seinen Rückzug aus dem Dienst an

Pastor Mark Driscoll (43) war lange Zeit der Lieblingsbösewicht der amerikanischen Evangelikalen, begabter Redner und charismatischer Leiter, der eine der einflussreichsten Megachurches in den USA aufgebaut hat – trotz (oder gerade wegen) seines oft ungehobelten Mundwerks, machohaften Gebarens und offenem Reden über Sex.

Die Mars Hill Church in Seattle – einem der säkularisiertesten Gebiete der USA – wuchs seit ihrer Gründung 1995 nach eigenen Angaben auf 15'000 Besucher in 15 Predigtorten in 5 US-Staaten. Mark Driscoll war ein gesuchter Redner und begabter Buchautor, bekannt u.a. für seine Betonung der Männlichkeit (was viele junge Männer in die Mars Hill Church brachte), aber auch für konservative Stellungnahmen gegenüber Homosexuellen und Frauen. Seine ausgeprägte calvinistische Theologie machte ihn früh zum Kritiker einer «sofaweichen Ruhekissens-Theologie», die er vielen Megachurches vorwarf.

Schattenseiten

Mark Driscoll kam in den letzten Jahren immer wieder in die Kritik, was sich in diesem Jahr zuspitzte und u.a. dazu führte, dass das Gemeindegründungs-Netzwerk «Acts 29», das er mitgegründet hatte, ihn ausschloss und ihn drängte, «für längere Zeit vom Dienst zurückzutreten und Hilfe zu suchen». Driscoll wurde beschuldigt, eine Atmosphäre der Furcht in seiner Gemeinde zu erzeugen, von anderen abzuschreiben, Gemeinde-Finanzen unsachgemäss zu verwenden und seine Position in einem solchen Mass zu festigen, dass es praktisch unmöglich geworden sei, ihn zu kritisieren oder auch nur zu hinterfragen.

Eine grosse Anzahl früherer Mars Hill-Gemeindemitglieder und Mitarbeiter sind an die Öffentlichkeit getreten (u.a. mit einer Facebook-Seite) und erzählen ihre Geschichten von Schikanen und «geistlichem Missbrauch», und 21 frühere Mars-Hill-Pastoren haben eine formelle Beschwerde eingereicht und verlangen Driscolls Rücktritt als Gemeindeleiter.

Tim Keller, international bekannter Pastor der Redeemer Presbyterian Church in New York, sagt: «Er war wirklich wichtig – im Internet-Zeitalter hat Mark Driscoll die evangelikale Bewegung enorm mit aufgebaut. Aber seine schnoddrige Art und seine Arroganz und Grobheit in persönlichen Beziehungen – die er selbst wiederholt bekannt hat – war für viele von den frühesten Tagen an offensichtlich, und jetzt hat er definitiv viele Leute desillusioniert»

Einsicht?

Mark Driscoll selbst hat wiederholt Fehler bekannt und festgestellt, dass seine «wilden Jahre» vorbei seien. In einer vorbereiteten Erklärung hat er am letzten Sonntag einen 8-Schritte-Plan angekündigt, den Schaden zu heilen; Kernstück ist ein «mindestens sechswöchiger» Rückzug aus dem Dienst. In dieser Zeit soll die Leiterschaft der Mars Hill Church die Vorwürfe untersuchen. Er selbst wolle die Zeit für «Nachdenken, Heilung und Wachstum» nutzen und sich mit «reifen Christen» zur Seelsorge treffen.

«Das ist eins der Paradoxe, wenn man Pastor im Medien-Zeitalter ist: die gleichen Kanäle, die eine Predigt zu praktisch jedermann auf der Welt bringen können, können auch von jedermann auf der Welt für Kritik, Angriff oder Verleumdung genutzt werden» sagte Driscoll in seiner Erklärung. «Aber ein anderer Teil (der Angriffe) ist wirklich mein Fehler, und ich werde dazu stehen, sie bekennen und weitergehen mit Gott, der mich ständig am verändern ist… Einige haben verschiedene Aspekte meiner Persönlichkeit und meines Führungsstils angegriffen, und während ein paar von diesen Angriffen unfair sind, habe ich kein Problem, zuzugeben, dass ich einige dieser Kritikpunkte verdiene, basierend auf eigenen Taten in der Vergangenheit, die mir echt leid tun»

Zur Webseite:
Mark Driscolls Ankündigung seines Rückzugs
Artikel in New York Times


Datum: 27.08.2014
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / The New York Times / Christianity Today

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