«Interklusion» statt Integration

Tamilischer Pastor in Deutschland: «Hilfe anbieten ja, aber ...»

Viel wird über die Integration von Flüchtlingen gesprochen und diskutiert. Doch einer, der die Situation von innen her kennt, ist der ehemalige tamilische Flüchtling Vimal Vimalasekaran. Er schlägt weder Integration noch Inklusion vor, sondern vielmehr einen Mittelweg, den er «Interklusion» nennt.
Der tamilische Pastor
Der Pastor und seine Familie

Mit nur 18 Jahren verliess Vimal Vimalasekaran Sri Lanka und floh zunächt nach Indien. «Ein Pastor, der selbst Flüchtling war, besuchte mich und entfachte in mir Interesse für das Evangelium», berichtet er in einem Interview mit Evangelical Focus. Seine Mutter hatte ein Neues Testament mit auf die Flucht genommen, das ein muslimischer Freund der Familie gegeben hatte, da er es nicht haben wollte. Für die Mutter war die Bibel wie ein Glücksbringer, der sie schützen sollte. Und Vimal, der, wie er selbst sagt, in Indien nichts anderes zu tun hatte, begann, darin zu lesen. «Später, bei einem Treffen, lernte ich Gott persönlich kennen. Das war der Beginn meiner geistlichen Reise.»

Doch der junge Christ wollte seinen neugefundenen Glauben nicht für sich behalten. Gemeinsam mit anderen frischbekehrten Christen begann er, unter den etwa 900'000 tamilischen Flüchtlingen zu arbeiten. «Wir nannten uns nicht 'Missionare', aber wir gaben einfach das Evangelium weiter.»

Eine Brücke zu den Flüchtlingen

Über Umwege gelangte Vimal nach Europa. Heute ist er Missionar und Pastor einer Gemeinde in Karlsruhe – und sieht sich selbst als Brücke zwischen deutschen Gemeinden und Flüchtlingen. «Viele Christen in Deutschland würden gerne etwas tun, aber sie wissen nicht, wie. Ich weiss auch nicht alles, aber ich bringe die zwei Gruppen zueinander.» Er liebe es, Zeit mit den Flüchtlingen zu verbringen, manchmal fühle es sich sogar an «wie zuhause».

Weder Integration noch Inklusion

Eine grosse Gefahr sieht Pastor Vimalasekaran allerdings in den zwei Extremen der Integration und Inklusion. Bei der Integration würde man erwarten, dass sich Ausländer komplett an die neue Kultur anpassen und alle Bräuche des Gastlandes übernehmen. Inklusion dagegen nimmt den Fremden mit all seinen Werten und Bräuchen an, ohne diese zu prüfen. Doch nicht alle Bräuche seien positiv und sollten ohne weiteres übernommen werden, beispielsweise die Art, wie Frauen in manchen Ländern behandelt werden. «Die christlichen Werte stimmen damit nicht überein.»

Wenn man mit einem Ausländer allerdings über Integration spreche, so habe dieser meist Angst, dass er seine Identität verlieren würde. Hier ein Beispiel: «Ein Tamile aus Sri Lanka flieht vor dem Krieg. Warum kommt er nach Deutschland? In seiner Heimat konnte er weder seine Rechte, noch seine Identität ausleben. Also denkt er: 'Ich muss nach Deutschland gehen, damit ich dort frei als Tamile leben kann'. […] Wenn er ankommt, sagen wir: 'Du musst dich integrieren' und er fühlt sich bedroht: 'Ich möchte meine Identität nicht ablegen, ich möchte Tamile sein!'» Es sei wichtig, räumt Vimalasekaran ein, dass er die Sprache des Gastlandes lerne und die Kultur verstehe. «Aber wir müssen lernen, wie wir diese Hilfe anbieten können, ohne ihre Identität zu bedrohen.»

Ein Mittelweg

Und genau diesen Mittelweg nennt der Pastor «Interklusion». Ein Ausländer müsse die Kultur und die Sprache kennenlernen und sich damit vertraut machen. Doch das Gastland müsse auf der anderen Seite ihn als der, der er ist, akzeptieren. «Ich bin nicht weniger Mensch, nur weil ich die Sprache des Landes noch nicht beherrsche – das macht mich nicht weniger intelligent!»

Dabei seien gerade die kleinen Details der Identität der Personen ernst zu nehmen. Es sei für Asiaten beispielsweise enorm wichtig zu wissen, dass sie weiterhin Curry und Reis essen dürfen, statt Pizza und Kartoffeln. Dies helfe, ihre Identität zu schützen und schenke ihnen Vertrauen. «Dann treffen sie sich gerne mit mir, weil sie sich sicher fühlen», so der Pastor.

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Datum: 10.04.2016
Autor: Rebekka Schmidt
Quelle: Livenet

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