Immer mehr Deutsche ziehen ins Ausland

So chaotisch sieht es heute nicht mehr aus: Auswanderer im Hafen Hamburg, 1883

Zunehmend stimmen Deutsche mit den Füssen ab: Im vergangenen Jahr sind 145’000 Bundesbürger ausgewandert – nach dem Statistischen Bundesamt die höchste seit 1950 registrierte Zahl.

Zugleich sind weniger Deutsche aus dem Ausland zurück in ihre Heimat gekehrt. Erstmals seit Ende der 60er Jahre übertraf die Zahl der Auswanderer die der zugewanderten Deutschen um 17’000. Ins Ausland zieht es vor allem Deutsche aus den alten Bundesländern und Berlin (134’000). Dagegen verliessen 2005 nur 10’000 Bundesbürger aus dem Osten der Republik ihre Heimat.

Der 36-jährige Anästhesie-Arzt, dessen Vater von Italien einwanderte, migriert in die Niederlande, weil er dort mehr als das Doppelte verdient. Am Düsseldorfer Uniklinikum haben im vergangenen Jahr 17 der 80 Anästhesisten gekündigt. Manche Akademiker suchen gemäss de Zeitung „Die Welt“ im Ausland bessere Forschungsmöglichkeiten und flachere Hierarchien. Zu den bevorzugten Ländern gehören England, die USA, Australien, die Schweiz und die skandinavischen Nachbarn.

Perspektivlosigkeit

"Lange können wir nicht mehr von unserem Ausbildungskapital zehren", sagte Helmut Schwarz von der Deutschen Forschungsgemeinschaft der Zeitung. "Wenn wir so weitermachen, wird Deutschland zum Auswanderungsland." Jeder siebte Nachwuchswissenschaftler mit Doktortitel geht in die USA. Gemäss dem Bericht empfinden viele Auswanderer soziale Kälte und klagen über Perspektivlosigkeit. Reiner Klingholz, Leiter des Berliner Instituts für Bevölkerung und Entwicklung spricht angesichts der ungenügenden Geburtenrate von einem „alternden Land, in dem die Kreativität zurückgeht“.

Weniger Ausländer zu- und abgewandert

Ausserdem berichtete das Statistische Bundesamt, dass im vergangenen Jahr erstmals seit der Wiedervereinigung weniger als 600’000 Ausländer nach Deutschland gezogen sind. Deren Zahl betrug den Angaben zufolge im vergangenen Jahr 579’000, was einem Rückgang um vier Prozent entspricht.

Die Zahl der Fortzüge von Ausländern ging ebenfalls zurück. Waren es 2004 noch 547’000 Menschen, die Deutschland wieder den Rücken kehrten, so sank die Zahl 2005 auf rund 484’000. Das entspricht einem Minus von zwölf Prozent. Die Zahl der zugewanderten Ausländer lag damit um 96’000 höher als die der Abwanderungen. 2004 betrug diese Differenz noch 55'000.

Datum: 14.07.2006
Autor: Peter Schmid

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