Berlins rot-grüne Mehrheit beschliesst umstrittenen Ethikunterricht

Berlin

Berliner Schüler der Klassen 7 bis 10 werden künftig zwei Mal in der Woche verpflichtenden Ethikunterricht haben. Nach anderthalbjähriger Diskussion stimmte das Abgeordnetenhaus am Donnerstag mit grosser Mehrheit einer entsprechenden Änderung des Schulgesetzes zu.

Während die Koalitionsparteien SPD und Linkspartei/PDS zusammen mit Bündnis 90/Grüne das Vorhaben des Senats unterstützten, bekräftigten CDU und FDP ihre energische Ablehnung. Wie die Kirchen fordern beide Oppositionsparteien einen Wahlpflichtbereich und damit eine Abwahlmöglichkeit zu Gunsten des Religionsunterrichts.

Vehemente Kritik der Kirchen

Der Senat hat den Religionsgemeinschaften jedoch nur eine Kooperation im Rahmen des neuen Faches angeboten. Einen Rechtsanspruch auf Beteiligung haben die Religionsgemeinschaften aus Sicht der Koalitionsparteien nicht. Die Kirchen haben bislang offen gelassen, inwieweit sie überhaupt zu einer Zusammenarbeit im Ethikunterricht bereit sind.

In welcher Form diese tatsächlich umgesetzt wird, sollen die einzelnen Schulen entscheiden. In der erregten Abgeordnetenhausdebatte kündigte Bildungssenator Klaus Böger (SPD) allerdings an, die Schulen gegebenenfalls an ihre Pflichten zu erinnern: «Sollen heisst weder müssen noch können, aber wer nicht zur Zusammenarbeit imstande ist, muss dies begründen können.»

Die Kirchen befürchten grosse Nachteile für den in Berlin freiwilligen Religionsunterricht, der weiter vom Land bezuschusst wird. In einer ersten Reaktion äusserten die Kirchen ihr «grosses Befremden» über den Parlamentsbeschluss. Den Schülern müsse die «Wahlfreiheit zwischen gleichberechtigten Angeboten» überlassen bleiben, forderte die evangelische Landeskirche. Dafür werde man in den kommenden Monaten weiter eintreten, kündigte auch das Erzbistum an.

„Religionsunterricht unter ideologischen Gesichtspunkten diskutiert“

Am Montag hatte sich der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, für Religion als ordentliches Schulfach ausgesprochen. «Der gewachsenen Bedeutung religiösen Basiswissens sollte in den Lehrplänen Rechnung getragen werden» sagte Krüger.

Mit Blick auf das Berliner Vorhaben, Ethik als Pflichtfach einzuführen, sprach Krüger von einem «Irrtum», dass der Staat religiöses Wissen besser vermitteln könne. Die Vertreter der Religionsgemeinschaften müssten in den Unterricht einbezogen werden, weil nur auf diese Weise eine authentische Vermittlung möglich sei. «Es ist eine fatale Entwicklung, dass in einzelnen Bundesländern die Diskussion über den Religionsunterricht unter ideologischen Gesichtspunkten geführt wird», sagte Krüger.

Der neue Ethikunterricht soll im kommenden Schuljahr zuerst in den 7. Klassen eingeführt werden. Drei Viertel aller Berliner Oberschüler nehmen derzeit an keinem Religions- oder Weltanschauungsunterricht teil.

Gravierende Integrationsprobleme

Die Debatte um Einführung eines solchen Faches hatte im Herbst 2004 der Berliner SPD-Fraktions- und Parteichef Michael Müller angestossen. Anders als Müller wären Böger wie auch viele SPD-Bundespolitiker jedoch gern dem Wunsch der Kirchen nach einer Aufwertung des Religionsunterrichtes nachgekommen. Auf einem Landesparteitag im April 2005 stimmte die SPD dennoch klar für die Einführung eines Faches «Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde», so wie es bereits in Brandenburg praktiziert wird. Um den Kirchen entgegenzukommen, wird der künftige Ethikunterricht jetzt aber entgegen dem Parteitagsbeschluss nur am Rande über die Weltreligionen informieren.

Hintergrund für die Einführung des Pflichtfaches sind vor allem die immer sichtbarer werdenden Integrationsprobleme in den Berliner Ausländerstadtteilen. Zum anderen sorgte in der Stadt schon lange der Umstand für Unbehagen, dass mit der Islamischen Föderation eine unter Extremismusverdacht stehende Organisation das Anrecht auf Erteilung von Religionsunterricht einklagen konnte. Daran wird sich aber auch durch die Einführung des Ethikunterrichts nichts ändern.

Datum: 25.03.2006
Quelle: Epd

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