Der Spagat: Mehr arbeitende Mütter und mehr Kinder

Mutter und Kind
Bert Rürup

Ein „Ensemble aus Kindertagesbetreuung, Elterngeld und flexibleren Arbeitszeiten“ soll laut dem deutschen Wirtschaftsexperten Bert Rürup sowohl die Wirtschaft beflügeln wie mehr Nachwuchs bringen. Denn – wie Bundespräsident Horst Köhler am Freitag in seiner Rede sagte – die Deutschen haben zuwenig Kinder.

Gemäss einem Gutachten, das Rürup im Auftrag von Bundesfamilienministerin Renate Schmidt erstellt hat, könnte die Geburtenrate von derzeit 1,3 Geburten pro Frau in den nächsten 15 Jahren auf durchschnittlich 1,7 ansteigen, wenn die tatsächliche Arbeitszeit stärker an die gewünschte Arbeitszeit angeglichen würde. Die SPD-Politikerin machte sich erneut stark für flexible Modelle wie Gleitzeit, Telearbeit, Job-Sharing oder Arbeitszeitkonten. Hier brauche es aber mehr Flexibilität der Unternehmer.

Gewünscht: Dreiviertelstellen

Laut dem Gutachten gibt es vor allem eine Nachfrage nach der sogenannten grossen Teilzeitstelle von rund 30 Stunden. Umgekehrt möchten viele Vollzeitangestellte ihr Pensum um eine halbe oder volle Stunde pro Tag kürzen. Eine solches Modell könnte auch für viele Männer attraktiv sein.

Zwischen Arbeitszeitwünschen und –angeboten gebe es eine erhebliche Diskrepanz. Die Teilzeit arbeitenden Mütter wünschten sich in vielen Fällen eine etwas längere Arbeitszeit. Die Vollzeit arbeitenden Frauen mit Kindern würden hingegen gern deutlich kürzer treten. Bei den Vätern übersteigt die tatsächliche Arbeitszeit in den allermeisten Fällen die gewünschte Stundenanzahl erheblich. Und obwohl die klassische Rollenverteilung – Vater arbeitet Vollzeit, Mutter bleibt zuhause – nur von wenigen Eltern gewünscht wird, ist sie in den meisten Fällen in den ersten drei Jahren nach der Geburt die Regel.

Karriere oder Kind

„In Deutschland müssen sich, nicht zuletzt aufgrund starrer Arbeitszeiten, immer noch zu viele Frauen zwischen Kind und Karriere entscheiden mit der Folge, dass in aller Regel einer dieser Wünsche unerfüllt bleibt“, kritisierte Rürup. Mit einem grösseren Angebot an familienfreundlichen Arbeitszeiten liesse sich nach Rürups Berechnungen die Frauenerwerbsquote von derzeit 65 auf 68 Prozent steigern.

Vor allem Akademikerinnen fühlten sich vielfach im „Zeitstress“, heisst es in der Studie. Bei einem grösseren Angebot an grossen Teilzeitstellen würden bundesweit 936’000 zusätzliche Arbeitskräfte benötigt. Eine höhere Zahl an Erwerbstätigen wiederum habe einen positiven Effekt auf die Entwicklung des Wirtschaftswachstums. Eine höhere Geburtenrate sei zudem langfristig positiv für die Volkswirtschaft.

Der Wirtschaftsweise warb gemeinsam mit Schmidt für die von der SPD im Wahlprogramm angekündigte Einführung eines einkommensabhängigen Elterngeldes. Die Leistung soll ein Jahr gezahlt werden und etwa zwei Drittel des letzten Nettoverdienstes betragen. Das Elterngeld, das das heutige Erziehungsgeld ersetzen soll, werde aber erst 2008 eingeführt. „Zunächst brauchen wir den Ausbau der Betreuungseinrichtungen für die Kleinkinder“, so Schmidt.

Datum: 25.07.2005
Autor: Fritz Imhof
Quelle: SSF

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