„Nicht Glaubenspraxis, sondern gedankliche Auseinandersetzung“ - Niedersachsen versucht islamischen Religionsunterricht

Islam

Im norddeutschen Bundesland Niedersachsen hat letzte Woche ein vierjähriger Schulversuch zum islamischen Religionsunterricht begonnen. An acht Grundschulen wird Islam-Unterricht in deutscher Sprache auf der Grundlage eines vom Land herausgegebenen Lehrplans erteilt.

Kultusminister Bernd Busemann (CDU) sagte am Mittwoch vor Journalisten in Hannover, das Land habe dafür bewährte muslimische Lehrer eingestellt. Der Minister strich den Unterschied von Unterricht und religiöser Praxis heraus: "Islamischer Religionsunterricht in der Schule soll ein Ort gedanklicher Auseinandersetzung mit Glaubensgrundlagen in der heutigen Zeit sein. Er ist aber nicht der Ort, an dem Glaubenspraxis ausgeübt wird wie zum Beispiel in Koranschulen."

Nach Angaben des Kultusministeriums ist Niedersachsen das erste Bundesland, das den Islam-Unterricht als ordentliches Lehrfach anbietet. Ein vergleichbares Modell gebe es lediglich an einem einzelnen Ort in Bayern. In Berlin, Hamburg und Nordrhein-Westfalen werde die Unterweisung in die islamische Religion zusätzlich zur regulären Stundentafel gelehrt, sagte Sprecher Georg Wessling.

Die massgeblichen Vereine und Organisationen der Muslime in Niedersachsen unterstützen laut Busemann den Schulversuch. Dazu gehörten die Sunniten und Schiiten, die 90 Prozent der Muslime repräsentieren. Die Gemeinschaft der Aleviten habe dem Lehrplan nicht zugestimmt, könne sich aber später beteiligen. Der Versuch ist auf vier Jahre angelegt und wird von den Behörden fortlaufend begleitet und ausgewertet. Unter den insgesamt rund 989‘000 Schülern an den allgemeinbildenden Schulen Niedersachsens sind etwa 40‘000 Muslime, vor allem an Grundschulen. Die grösste Gruppe unter ihnen sind die Türken.

Busemann begrüsste es, dass sich auch die Kirchen für einen islamischen Religionsunterricht ausgesprochen hätten. Die katholischen Bischöfe von Hildesheim und Osnabrück, Josef Homeyer und Franz-Josef Bode, hatten den Versuch als geeigneten Weg bezeichnet, „muslimischen Schülern religiöse Bildung zu ermöglichen“. Damit unterstützten sie die „Politik der Integration und Toleranz“ der niedersächsischen Regierung, sagte Kultusminister Busemann.

Die Bischöfe wiesen darauf hin, dass der Staat bei einem erfolgreichen Verlauf des Versuchs – wenn Islamunterricht zu einem ordentlichen Fach werden sollte – für die Ausbildung muslimischer Lehrer sorgen müsse. Auch für die christliche Religionslehre müsse die Lehrer- und Unterrichtsversorgung gewährleistet bleiben.

Quelle: Livenet/KIPA

Datum: 23.08.2003
Autor: Peter Schmid

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