Basel

„Rollenlose Religionen am Weltwirtschaftsforum“

Konrad Raiser

Die Organisatoren des Davoser Weltwirtschaftsforums (WEF) gestehen den Vertretern von Religionsgemeinschaften zwar Glaubwürdigkeit zu. Was aber fehle, sei das Verständnis dafür, worin die spezifische Rolle von Kirchen und Religionen liege, kritisierte Konrad Raiser, Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), in einem Interview mit der "Basler Zeitung".

Raiser hatte am Weltwirtschaftsforum 2002 teilgenommen, das ausnahmsweise in New York durchgeführt wurde. Dabei habe er den Eindruck gewonnen, dass die Veranstalter des WEF "noch nicht recht wussten, was sie eigentlich mit den geistlichen und religiösen Repräsentanten tun sollten". Wenn deren Teilnahme Sinn haben solle, dann müssten sie intensiver in das Programm des WEF eingebunden werden, forderte der ÖRK-Generalsekretär.

In New York traf Raiser "auf ein Ensemble von hoch qualifizierten Leuten aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens", mit denen er an einem Tisch sitzen und in Dialog treten konnte. Es sei eine "in vieler Hinsicht interessante und lehrreiche Erfahrung" gewesen. Er sei aber trotzdem zum Schluss gekommen, dass "das nicht unbedingt das Forum für die Diskussion ist, die wir meinen, zur Globalisierung führen zu müssen". Raiser: "Denn nur zur Verstärkung der Interessen anderer, nur um an öffentlichen Demonstrationen und Bündnisbildungen beteiligt gewesen und gesehen worden zu sein, hat für sich selbst keinen so hohen Stellenwert."

Augenmerk auf das Weltsozialforum

Dieses Jahr wird Raiser nicht nach Davos reisen. Der ÖRK werde vielmehr seine Aufmerksamkeit in erster Linie dem Weltsozialforum im brasilianischen Porto Alegre zuwenden. Dort würden Themen zur Sprache kommen, die auch die Tagesordnung des Weltkirchenrates bestimmen würden. Ausserdem sei im vergangenen Jahr in Brasilien kritisiert worden, dass sich die Kirchen dort "zu stark zurückgehalten haben".

Die Kirchen müssten die Stimme jener sein, die von den Auswirkungen der Globalisierung betroffen seien, so Raiser. Die Kirchen seien weltweit eine der ganz wenigen Organisationen, die das tägliche Leben der Menschen teilten und daher "authentisch die Stimme derer wiedergeben können, die zu den Verlierern der Globalisierung gehören".

Raiser misst der öffentlichen Kontroverse grosse Bedeutung zu, damit es zu einem Dialog zwischen den verschiedenen Parteien kommt. "Die, die jetzt den Dialog suchen und ihn auch führen werden, verdanken die Möglichkeit des Dialogs denen, die demonstriert haben." Die Demonstrationen würden dabei helfen, die "zentralen Punkte der Kritik so ins Bewusstsein zu heben, dass damit die Dialogpartner auch mit einem eigenen Beitrag in den Dialog eintreten können".

Ohne die Bischöfe

Unter anderem auf Initiative des Schweizerischen Reformierten Kirchenbundes finden dieses Jahr während des Weltwirtschaftsforums in Davos unter der Bezeichnung "Open Forum Davos" Diskussionsrunden statt, an denen WEF-Kritiker und Teilnehmer des WEF miteinander reden wollen. Die "Basler Zeitung" konstatierte, dass sich die Schweizer Bischöfe an diesen Treffen nicht beteiligen. Gegenüber der Zeitung erklärte der Sprecher der Schweizer Bischofskonferenz Marc Aellen: "Wir wurden nicht eingeladen."

Datum: 15.01.2003
Quelle: Kipa

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