Evangelische Wochenpresse in Deutschland kämpft um Existenz

Prof. Will Teichert

Bielefeld. Die evangelischen Wochenzeitungen müssen ums Überleben kämpfen. Ihre Strukturprobleme sind noch existenzieller als die aktuelle Krise in der gesamten Medienbranche. Während bei Tageszeitungen vor allem Anzeigen-Einnahmen eingebrochen sind und es immerhin Hoffnung auf eine Belebung der Konjunktur gibt, sterben bei den kirchlichen Wochenblättern die Leser langsam aus. Die Stammklientel wird älter und weniger. Und unter Jüngeren sind - sofern sie sich überhaupt noch kirchlich engagieren - nur schwer neue Leser zu gewinnen.

Professor Will Teichert, der die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) in Medienfragen berät, schlägt Alarm: "Wenn jetzt nicht gehandelt wird, ist dieser gesamte Sektor der Publizistik in Frage gestellt", sagte er bei einer Fachtagung des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik. Der Wissenschaftler fordert mehr Kooperation in der föderal zersplitterten evangelischen Presselandschaft.

Auflage sinkt ständig

Die verkaufte Auflage der 16 regionalen evangelischen Zeitungen ist seit Ende 1991 um 38 Prozent gesunken und liegt derzeit bei 431.000 Stück. Das kleinste Blatt, "Die Kirche" für die Kirchenprovinz Sachsen und Anhalt, verkauft weniger als 4.000 Exemplare. Und der auflagenstärkste Titel, das "Evangelische Gemeindeblatt für Württemberg", sank 2001 unter die 100.000er Marke. In den vergangenen zwölf Monaten verlor es weitere sieben Prozent - das entspricht dem bundesweiten Durchschnitt. Ein Ende der Talfahrt ist nicht in Sicht.

Um die Wochenzeitungen zu retten, sucht ihr Dachverband, die Konferenz der Evangelischen Medien- und Presseverbände, nach Synergien. Ihr Vorsitzender Wolfgang Riewe (Bielefeld) schlägt drei weit reichende Kooperationen für Nordwest-, Ost- und Süddeutschland vor. Er hofft auf Erfolg durch einen einheitlichen Dachtitel "Evangelische Zeitung" und gemeinsames Marketing. Die bisherige Abonnentenwerbung an der Haustür ist problematisch und hat ein schlechtes Image. Selbst innerhalb der Kirche fehlt oft der Rückhalt: Viele Pfarrer unterstützen die Wochenzeitungen nicht.

Nun droht - zwei Jahre nach Einstellung des überregionalen "Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatts" - akut das Aus auch für regionale Zeitungen. Im Rheinland soll "Der Weg" Ende 2003 letztmals erscheinen. Im Januar entscheidet die Synode der finanzstärksten Landeskirche über eine Vorlage der Kirchenleitung. Als Alternative zum "Weg" wird im Düsseldorfer Kirchenamt eine regionale Ausgabe des Monatsmagazins "Chrismon" geprüft, sagt Vizepräsident Christian Drägert. Das Modell gibt es bereits in Baden als "Standpunkte".

Auch in Hannover, der mitgliederstärksten Landeskirche in der EKD, wird über Alternativen nachgedacht. Die verkaufte Auflage der "Evangelischen Zeitung für Niedersachsen" ist trotz inhaltlicher Erneuerung unter 30.000 gesunken. "Wir arbeiten mit voller Kraft an der Stabilisierung", sagt Verlagsgeschäftsführer Hasko von Bassi. Zugleich überlege die Kirchenleitung aber "ergebnisoffen", ob statt der Wochenzeitung ein Gratis-Monatsmagazin für die rund 130.000 haupt- und ehrenamtlich Aktiven sinnvoll sei. Dies hätte Signalwirkung innerhalb der föderal strukturierten EKD.

Autor: Thomas Schiller

Datum: 03.12.2002
Quelle: Epd

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