Schweizer Ärzte besorgt über „Unterbehandlung“ alter Menschen

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Basel. „Ältere, pflegebedürftige Patienten erhalten oft nicht diejenige medizinische Behandlung, die ihrem Zustand angemessen wäre.“ Dies stellte die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) in einer am Mittwoch in Basel verbreiteten Medienmitteilung fest. Heute stelle nicht mehr die Überbehandlung alter Menschen ein Problem dar, sondern die Unterbehandlung.

Besorgt über diese Entwicklung erarbeitete die Akademie Richtlinien und Empfehlungen zur „Behandlung und Betreuung älterer pflegebedürftiger Menschen“, die am gleichen Tag in der Schweizerischen Ärztezeitung zur Vernehmlassung veröffentlicht wurden.

Gemäss internationalen Studien sei „bei einer grossen Zahl von alten Menschen, die in Heimen betreut werden, die Schmerztherapie ungenügend, die Rehabilitation unzureichend und die medikamentöse Behandlung inadäquat“, beklagte die SAMW in ihrer Mitteilung. Kostendruck, Fallpauschalen und gesellschaftliche Vorurteile dem hohen Alter gegenüber verstärkten diese Tendenzen.

Hoher Betreuungsaufwand

In der Schweiz lebten heute mehr als eine Million über 65-jährige Personen, so die Akademie. Mit zunehmendem Alter steige die Wahrscheinlichkeit der Pflegebedürftigkeit stark an. So würden mehr als 40 Prozent der über 90-Jährigen in Heimen betreut. Hinzu komme eine grosse Zahl von betagten und hochbetagten Personen, die zu Hause von Familie, Angehörigen und ambulanten Diensten gepflegt werden. In der Schweiz gebe es derzeit etwa 120.000 ältere Personen, die pflegebedürftig sind, und es sei davon auszugehen, dass diese Zahl aufgrund der demographischen Entwicklung in Zukunft stark ansteigen werde.

Bei der heutigen Diskussion um Kosten im Gesundheitswesen werde oft gefordert, dass bei pflegebedürftigen alten Menschen keine „unnötigen Massnahmen“ durchgeführt werden, berichtete die SAMW. Es heisse, Massnahmen würden nur zur Verlängerung des Leidens beitragen und Kosten verursachen. Die meisten Studien zeigten jedoch, dass in der Realität oft das umgekehrte Problem bestehe, nämlich, dass nicht zu viel, sondern zu wenig gemacht und auf notwendige Massnahmen verzichtet werde. Die besseren medizinischen Möglichkeiten ermöglichten heute die Behandlung auch chronischer Leiden und damit eine Steigerung der Lebensqualität.

Rechte der alten Menschen klären

Mit den neuen Richtlinien werde erstmals auf nationaler Ebene ein Dokument vorgelegt, das die Rechte von älteren pflegebedürftigen Personen kläre. Zentrale Punkte der Richtlinien betreffen die Kontinuität und Qualität der Betreuung, die Entscheidungsprozesse bei fehlender Urteilsfähigkeit, die Anwendung freiheitsbeschränkender Massnahmen, Fragen zu Sterben, Palliation und Beihilfe zum Suizid sowie die Forderung nach angemessener Aus-, Weiter- und Fortbildung des Fachpersonals. Das vorliegende Papier geht nun in eine breite Vernehmlassung. Ziel ist es, bis Ende Jahr die definitive Fassung dieser Richtlinien und Empfehlungen zu verabschieden.

Datum: 13.06.2003
Quelle: Kipa

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