Immer mehr Frommes aus der Flimmerkiste

Bibel

Das Fernsehen hat die Welt erobert. TV-Geräte flimmern in den Elendsvierteln Ostasiens und in entlegenen Indianerdörfern in Südamerika; in Zentraleuropa stehen in immer mehr Haushalten gleich mehrere Geräte. Kein Wunder, dass Christen seit Jahren verstärkt daran arbeiten, die Botschaft des Evangeliums auch übers Fernsehen zu transportieren. Die Satellitentechnik hat die Verbreitungsmöglichkeiten dramatisch erweitert. Die wenigsten Zuschauer im deutschsprachigen Raum wissen, wieviel Christliches sie inzwischen neben den Klassikern “Wort zum Sonntag” und ZDF-Gottesdienst empfangen können.

Die grösste Innovation des Jahres 2002 war zweifelsohne der Start von Bibel-TV. Ein 24-Stunden-Programm rund um die Heilige Schrift, an dem die verschiedensten christlichen Kräfte von Evangelikalen über Katholiken bis zu evangelischen Freikirchen mitwirken – das ist weltweit einmalig. Spielfilme und Quiz, Musiksendungen und Lesungen stellen die Bibel in den Mittelpunkt. Derzeit gehen täglich 10 bis 18 Reaktionen beim Sender ein, berichtet Pressesprecher David Wessler (Hamburg).

Bibel-TV auch über Kabel

Die Kommentare der Zuschauer seien überwiegend positiv. Viele berichteten von ihrer Überraschung, dass hier weder gepredigt noch die katholische Messe gelesen, sondern auf bunte Art in professionellen Beiträgen die Kernaussagen der Bibel vermittelt würden. Die vergleichsweise niedrige Zahl der Zuschauerreaktionen ist ein Indiz für die noch geringe Reichweite von Bibel-TV. Als digitaler Sender, der über den Satelliten Astra ausgestrahlt wird, kann er nur mit einem dafür geeigneten Empfangsgerät (Receiver) gesehen werden. In Deutschland sind das immerhin schon rund 1,8 Millionen Haushalte, in denen allerdings die wenigsten den Weg zu Bibel-TV finden. Inzwischen gibt es den Spartenkanal zusätzlich in einigen Kabelnetzen – zum Teil gratis, zum Teil gegen eine einmalige Freischaltgebühr. Auf der Internetseite von Bibel-TV (www.bibeltv.de) erfährt man, dass der Empfang des Satellitensignals auch innerhalb von Räumen (also ohne Schüssel auf dem Dach) möglich ist, sofern die Wohnung ein Fenster zum Süden hat, vor das die Parabolantenne mit digitalem Empfangsteil gestellt werden kann.

Halbe Stunde pro Woche

Weiter gefächerte Themen als Bibel-TV bringen die evangelikalen Programmanbieter im deutschsprachigen Europa. Sie arbeiten alle nach einem ähnlichen Muster: Sie produzieren Woche für Woche eine halbstündige Sendung – meistens ein buntes Magazin oder eine Studiorunde mit Gästen -, die dann über verschiedene Sender ausgestrahlt wird. Der Wetzlarer Evangeliumsrundfunk (ERF, www.erf.de) etwa kann mit seiner Sendung “Hof mit Himmel” inzwischen europaweit empfangen werden. Dabei kommt ihm entgegen, dass die baden-württembergische Privatstation B.TV, über die der ERF sendet, einen Kanal des Satelliten Astra gemietet hat und so über Nacht vom Regional- zum Kontinentalsender mutierte. Allerdings steckt B.TV derzeit in dramatischen finanziellen Schwierigkeiten – eine ausländische Investorengruppe, die eine Beteiligung an dem Sender erwogen hatte, zog sich Anfang Dezember wieder zurück. B.TV (und damit der ERF) kann nicht nur per Satellit, sondern auch in südwestdeutschen Kabelnetzen sowie in Ballungszentren zusätzlich terrestrisch, also mit der normalen Dach- oder Zimmerantenne, empfangen werden.

ERF bei Bibel-TV

Weitere Ausstrahlmöglichkeiten nutzt der ERF beim Informationskanal NBC, der fast flächendeckend per Kabel sowie als Digitalprogramm per Satellit empfangen werden kann. Auch in rund 30 regionalen Fernsehprogrammen, das grösste darunter FAB (Fernsehen aus Berlin), ist der ERF zu sehen. Nicht zu vergessen Bibel-TV, an dem der ERF auch als Gesellschafter beteiligt ist: Ab 1. Januar wird das Wochenmagazin dort täglich ausgestrahlt.

Christliche “Vox-Nacht”

Am spannendsten findet ERF-Direktor Jürgen Werth derzeit die Plazierung von Sendungen in säkularen Programmen. “Wir haben über das Fernsehen die grösste Reichweite im Blick auf Menschen, denen der christliche Glaube fremd geworden ist”, sagt er. Während bei Radiohörern das Hin- und Herschalten zwischen den Kanälen sehr selten vorkomme, sei es beim Fernsehen normal. “Das gibt uns hervorragende missionarische Möglichkeiten.” Das mutigste Projekt ist derzeit die “Vox-Nacht”: Zwischen 1 und 5.30 Uhr zeigt der Privatsender in der Nacht vom 3. zum 4. Januar neun Magazinsendungen hintereinander. Während der ersten “Vox-Nacht” hatte es rund 2.000 Anrufe von Zuschauern gegeben. Dass die fromme Sendung nach Mitternacht von stöhnender Werbung für Telefonsex unterbrochen wird, ist den ERF-Verantwortlichen unangenehm. “Darauf haben wir keinen Einfluss”, betont Jürgen Werth. Er ist sich aber sicher: Wer die christliche Botschaft verbreiten wolle, dürfe auch “schmuddelige Ecken” der Gesellschaft nicht meiden.

Wie aufwendig Fernsehen in finanzieller Hinsicht ist, zeigt die Zahl der Mitarbeiter: Von den 180 Frauen und Männern, die der ERF angestellt hat, kümmern sich rund 30 ausschliesslich um die TV-Sparte, also um die wöchentliche Halbstunden-Sendung. Die übrigen Mitarbeiter stemmen die Radiosender ERF 1 und ERF 2, die beide 24 Stunden pro Tag (!) laufen, und sie produzieren darüber hinaus christliche Hörfunksendungen in mehr als 20 Sprachen.

“Tränen in den Augen”

Wie aufwendig Fernsehen ist, weiss auch das Gemeinde- und Missionswerk Arche (Hamburg), das seit Januar 2000 über NBC und seit Dezember 2001 über B.TV Gottesdienste mit Pastor Wolfgang Wegert ausstrahlt. Das Werk, das dem Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden angehört, aber gezielt überkonfessionell arbeitet, bekommt auf die Sendungen jede Woche drei- bis vierhundert Reaktionen. “Wir sitzen hier manchmal mit Tränen in den Augen, wenn wir sehen, wie Gott durch diese Fernsehgottesdienste wirkt”, sagt Hugo Kleinknecht, Geschäftsführer von Arche-TV. Sechs Seelsorger stehen während und nach den Sendungen am Telefon zur Verfügung, ein grösseres Team reagiert auf die eingehenden E-Mails und Briefe. Arche-TV ist es in den vergangenen Monaten gelungen, günstig mehr Sendezeit einzukaufen, um die Sendungen wiederholen zu können. Ab 4. Januar soll der Gottesdienst auf NBC nicht nur sonntags, sondern auch schon am Samstag um 16 Uhr zu empfangen sein: “Wir Christen sollten uns über diese Möglichkeit freuen, dass ein bibeltreues Evangelium auf diese Weise verbreitet werden kann”, so Kleinschmidt.

Bis zum Mittagessen

Auf der Schiene NBC und dem dazugehörigen Wirtschaftskanal CNBC (der ebenfalls über Astra ausgestrahlt wird) steht Sonntag vormittags ein üppiges christliches Angebot zur Verfügung. Von 6.30 Uhr bis 13 Uhr laufen Sendungen verschiedener Schattierungen nonstop durch. Englischsprachige Angebote mit deutschen Untertiteln sind die “Stunde der Kraft” (Hour of Power) mit Robert Schuller, “Wahrheit für heute” (Truth for Today) mit dem kalifornischen Prediger Bayless Conley sowie “Leben im Wort” (Life in the Word) mit Joyce Meyer, die sich schwerpunktmässig mit Fragen der Lebensbewältigung befasst. Ab 10 Uhr wird dann überwiegend auf deutsch gesendet: Bibel-TV präsentiert sein Magazin, Arche-TV seine Fernsehkanzel und der ERF seinen “Hof mit Himmel”. Diese Dichte an christlichen TV-Programmen wäre vor wenigen Jahren noch nicht möglich gewesen.

Datum: 11.12.2002
Autor: Markus Mockler
Quelle: idea Deutschland

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