Die Zeit der “Revoluzzer” ist vorbei

afsas

Die Shell-Jugendstudie gilt als wichtigste regelmässige Untersuchung zum Thema Jugend in Deutschland. Diese Webseitet berichtete bereits darüber siehe «Ego-Taktiker im Trend»
.

Was junge Leute bewegt, was sie von der Politik halten und was sie glauben – hier ist es unter Leitung der Bielefelder Erziehungswissenschaftler Klaus Hurrelmann und Mathias Albert genau analysiert. Die Veröffentlichung der jüngsten Studie hat in der vergangenen Woche ein lebhaftes Medienecho ausgelöst.

Zuerst fällt auf: Die Themen Religion und Glaube spielen diesmal eine völlig untergeordnete Rolle. Wurde diesem Bereich vor zwei Jahren ein ganzes Kapitel gewidmet, so finden sich in der aktuellen Studie nur wenige Anhaltspunkte, wie Jugendliche zum Thema Glauben stehen.

Bei der Frage, was “in” ist, nennen immerhin 61 Prozent der 2.515 Befragten im Alter von 12 bis 25 Jahren das Stichwort “glauben”. Nur 38 Prozent messen jedoch dem “Glauben an Gott” eine wichtige Bedeutung in der Lebensgestaltung zu. Damit rangiert das Thema deutlich im unteren Bereich der Werteskala.

Spitzenreiter sind hier die Themen Freundschaft, Partnerschaft, Familienleben und Eigenverantwortung. Der Focus dieser 14. Jugendstudie im Wahljahr 2002 liegt auf dem Politikverständnis und auf geschlechtsspezifischen Unterschieden in dieser Altersklasse. Doch auch wenn sie direkt zum Thema Glauben wenig Aussagekräftiges bietet, so zeigt die Studie einige interessante Beobachtungen. Was hat sich verändert? Und welche Konsequenzen muss man daraus ziehen?

Fördern und fordern

Zuerst fällt auf, dass sich Jugendliche nicht mehr durch eine Anti-Haltung gegenüber der Gesellschaft profilieren. Sie haben die Herausforderung der Leistungsgesellschaft angenommen. “Alte” Tugenden wie Fleiss und Ehrgeiz erleben eine Renaissance. Jugendliche haben sich von einer gesellschaftskritischen Gruppe hin zur gesellschaftlichen Mitte bewegt.

Hier liegt eine grosse Chance für die Jugend- und Gemeindearbeit. Manche Gemeinden müssen sich noch vom überlieferten Bild des pubertierenden Revoluzzers trennen. Die “Null-Bock-Generation” ist passé. Viele junge Leute lassen sich fordern und sind konstruktiv. Der Erziehungsstil, den die Studie als zukunftsweisend herausstellt, ist auch für den Umgang mit Jugendlichen in der Gemeinde bedenkenswert: Man muss die Jugendlichen fördern und fordern – und damit rechnen, dass sie sich auf diesen Prozess einlassen.

Die pragmatische Generation

Die Shell-Studie spricht von der pragmatischen Generation. Jugendliche sind durchaus bereit, soziale Verantwortung wahrzunehmen. Diese vollzieht sich jedoch nicht in organisierten Formen, sondern in konkreten Aktionen. Die jüngste Hochwasser-Katastrophe ist ein gutes Beispiel. Nicht die übergreifenden politischen Ziele sind interessant, sondern die Hilfe für den einzelnen. Für Jugendkreise und Gemeinden ist die Entwicklung Chance und Aufgabe zugleich. Während sich immer schwerer Personen für kontinuierliche Aufgaben finden lassen, sind konkrete Aktionen möglich. Gemeinden brauchen an dieser Stelle eine sensible Art, Jugendliche in die verbindliche Mitarbeit zu führen und auch Aktionen zu bieten, bei denen einzelne begrenzt mitmachen können.

Ethik des Gefühls

Die Frage nach den Werten spielt in der Shell-Studie eine grosse Rolle. Diese Lebenswerte werden jedoch zunehmend subjektiv gefüllt. So kommt dem Gefühl bei Entscheidungen wachsende Bedeutung zu (“Ich fühle, dass das richtig ist”). Man beobachtet das auch in frommen Kreisen: In ethischen Fragen fällt auf, dass eine biblische Argumentation immer mehr der subjektiven Begründung weichen muss. Dem “Die Bibel sagt doch ...” steht häufiger ein “Ich finde aber ...” entgegen. An diesem Punkt sind die Gemeinden gefragt. Man muss junge Christen mündig machen, sie lehren und ihnen das Wort Gottes ins Herz schreiben. Hier braucht es eine Bewegung auf breitester Front, die biblische Werte fundiert vermittelt und anreizt, sich wirklich in allen Lebensfragen an biblischen Massstäben zu orientieren.

Wissen ist Macht

Die Studie macht in erschreckender Weise deutlich, dass in Deutschland die sozialen Schichten zunehmend auseinanderklaffen. Wissen ist Macht: Dieser Spruch trifft heute mehr denn je zu. Es gibt die selbstbewussten Macher, die eine gute Bildung geniessen und die Karriereleiter hinaufsteigen. Daneben gibt es jedoch eine wachsende Anzahl von Menschen, die in unserer Gesellschaft unter die Räder kommen. Die Herausforderung für die christlichen Gemeinden wird es sein, die Macher zu gewinnen und die Bildungsschwachen zu fördern.

Christliche Jugendarbeit wird in Zukunft neben der Persönlichkeitsbildung auch zum Ziel haben, Bildungsangebote ins Repertoire aufzunehmen, um Jugendliche zukunftsfähig zu machen. Diakonie und Mission lassen sich hier gut miteinander verbinden. Jesus hat der Gemeinde besonders die Schwachen ans Herz gelegt.

Das Vakuum füllen

Einige Themen in der Shell-Studie zeigen ein deutliches Vakuum in den jungen Menschen auf. Auffallend ist die Sehnsucht nach Sicherheit und Geborgenheit. Viele sind durch die weltweiten Ereignisse und die wirtschaftliche Lage verunsichert. Das Stichwort “Sicherheit” steht auf der Wunschliste der Befragten weit oben. An diesem Punkt haben Christen viel zu bieten. Jesus richtet die Schwachen auf, tröstet die Ängstlichen und gibt in der Unsicherheit Geborgenheit. Jesus bietet ein tragfähiges Fundament und gibt auch denen einen Wert, die durch das Netz der Leistungsgesellschaft fallen. Dieses Wissen muss man leben und weitergeben.

Generationen wieder zusammenbringen

Die Familie geniesst bei Jugendlichen einen hohen Stellenwert. Für 70 Prozent gehört eine Familie zum Glücklichsein. In den Familien ist der Kampf der Generationen einem konstruktivem Miteinander gewichen. Auch hier bieten sich enorme Chancen. Es könnte auch ein Mentoring geben zwischen älteren, berufserfahrenen Christen und Jugendlichen. Die Berührungsängste sind auf diesem Gebiet deutlich geringer geworden.

Auch im Blick auf das Thema “Heiraten” besteht ein Vakuum. Nur 13 Prozent verneinen die Frage, ob man heiraten sollte. Mehr als die Hälfte ist bei diesem Thema unentschlossen.

Neue Kanäle suchen

Die Shell-Jugendstudie ist ein hilfreicher Kompass für die aktuelle Situation und Befindlichkeit der Jugendlichen. Jede verantwortliche Person in der Jugendarbeit oder Gemeinde sollte selbst einen Blick in die Studie tun und darüber nachdenken, über welche Kanäle man den Jugendlichen die Botschaft von Jesus Christus nahebringen und biblische Werte vermitteln kann. Eine Zusammenfassung der Studie findet sich im Internet unter www.shell-jugendstudie.de/hauptergebnisse.htm

Autor: Klaus Göttler

Datum: 30.08.2002
Quelle: idea Deutschland

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