Wie wirken moderne Medien auf die Jugend?

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Das Angebot von Medien ist Teil der postmodernen Multioptions-Gesellschaft. Die Medien erlauben den Menschen ein hohes Mass an Zugang zu Informationen, Unterhaltung und Zerstreuung. Was zum Nutzen der Menschen gedacht ist, kann ihn aber auch zusätzlich fordern und gar überfordern. Das gilt besonders für die Kinder.

Rein technisch ist es kein Problem mehr, mit 10.000 Menschen in Kontakt zu stehen, sagte der Pädagoge Daniel Kummer an einem Seminar der Vereinigten Bibelgruppen (VBG) zum Thema „Medien-Menschen“, doch psychisch sei dies nicht zu bewältigen. Die technische Entwicklung und die Verbreitung einzelner Medien hätten in den letzten Jahren viel rascher zugenommen, als dies selbst Medienfachleute vermutet hätten, so etwa das Handy. Die explosionsartige Verbreitung des SMS unter Jugendlichen hätten selbst seine Erfinder nicht geahnt. Doch welche Folgen zeitigen diese Entwicklungen?

Rund um die Uhr flüchtige Beziehungen eingehen

Erstmals in der Geschichte hat das SMS Jugendlichen die Möglichkeit eröffnet, buchstäblich rund um die Uhr innerhalb eines Netzwerks von Kolleginnen und Freunden erreichbar zu sein. Die neue Technik verschafft das Gefühl, dazu zugehören und vermittelt permanent Gelegenheiten, sich spontan für eine Aktivität und ein Treffen zusammen mit andern abzusprechen. Das entspricht dem heutigen Lebensgefühl, sich nicht lange im voraus für etwas entscheiden zu müssen oder sich zu binden. Das SMS ermöglicht neuestens, den Standpunkt von Freunden, die sich zufällig in der Nähe aufhalten, zu orten und sich dann spontan zu treffen. Ebenso das Internet. Chat-Teilnehmer können herausfinden, ob sich Gleichgesinnte innerhalb eines bestimmten geographischen Raums aufhalten, um dann mit ihnen in einen persönlichen Kontakt zu treten.

Dass diese Möglichkeiten auch ihre problematischen Seiten haben, leuchtet ein. So behindern sie natürlich das Eingehen von dauerhaften Verpflichtungen und Bindungen vor Ort. Und diese sind für die Stabilität unserer Gesellschaft nach wie vor wichtig. Wer eher dauerhafte Beziehungen anstrebt, kann gerade diese Möglichkeit auch als belastend empfinden.

Ist es verwunderlich, dass auch beim SMS Suchterscheinungen zutage traten? Im Rahmen eines Versuchs wurden Jugendliche dazu bewegt, ihr Handy fünf Tage lang abzugeben. Die Betroffenen erlebten bei diesem freiwilligen Handy-Fasten dann eine grosse Verunsicherung und Isolation. Alle Zeichen einer deutlichen psychischen Abhängigkeit. Die Telekombranche aber verdient an diesem legalen Suchtmittel allein in der Schweiz rund 450.000 Franken pro Tag bei rund 6 Mio. SMS täglich.

Medien und Kinder

Der amerikanische Medienkritiker Neil Postman stellt im Buch „Wir amüsieren uns zu Tode“ fest, es gebe kaum mehr eine Kindheit im geschützten Raum. Dies ist freilich zumindest teilweise schon seit dem Fernsehzeitalter der Fall, das „die Welt für das Kinderzimmer geöffnet“ hat, wie der Medienforscher Meyrowitz im Buch „Die Fernseh-Gesellschaft“ kritisch festhält. Es gibt für unsere Kinder keine halbwegs heile Welt mehr und kein Recht auf Nichtwissen. Sie werden früh mit dem Elend dieser Welt und mit Bildern konfrontiert, die sie unnötig belasten. Neuere Studien belegen ausserdem die negativen Auswirkungen von zügellosem TV-Konsum auf das Lernverhalten der Kinder.

Was die Wirkung der heute verbreiteten Computerspiele betrifft, sind sich die Fachleute nicht einig. Die Spieler selbst, ein Teil der Fachleute und natürlich die Industrie leugnen einen direkten Bezug zwischen Gewalt verherrlichenden Spielen zu Gewaltverbrechen wie dem Massenmord von Erfurt. Sie können aber nur schlecht erklären, wie ein Jugendlicher plötzlich in der Lage ist, gezielte Schüsse direkt in die Köpfe seiner Kameraden abzugeben. Der amerikanische Medienpsychologe Dave Grossmann ist jedenfalls überzeugt, dass solche Spiele die Hemmungen, auf Menschen zu schiessen, abbauen. Sie ähnelten den Computerprogrammen, mit denen in den USA Soldaten zum Töten konditioniert werden.

Generell ist nach Auffassung von Kummer das Nachahmungsverhalten wesentlich besser belegt als die Theorie, aggressive und gewaltverherrlichende Spiele würden zum Abbau der Aggressionen des Spielers führen.

Lernmedien – der Computer im Schulalltag

Trotz dem Ruf „Computer an die Schulen“ gibt es noch viele offene Fragen um den sinnvollen Einsatz dieses Mediums in den Klassenzimmern. Noch fehlt in vielen Bereichen geeignete und attraktive Lernsoftware. Auch für das Internet fehlt noch eine durchdachte Didaktik. Der deutsche Medienpädagoge Hartmut von Hentig empfiehlt deshalb, auch wenn er grundsätzlich verschiedene Anwendungsmöglichkeiten des Computers in der Schule sehen kann, die Schüler erst kurz vor dem Übertritt in die Berufs- oder Hochschulwelt mit Computern vertraut zu machen. Die Alliance for Childhood meint dazu: Die gesunde Entwicklung des Kindes hat Vorrang vor dem Umgang mit dem Computer.

Die Erziehenden haben laut dem Pädagogen Gerhard Bohne die Verantwortung, den Heranwachsenden die nötige Lebenshilfe im Umgang mit Medien zu vermitteln. Sie können den Jugendlichen Erfahrungen, Einsichten und Werte vermitteln. Es gelte, ihnen das Gute und Richtige zu zeigen und ihnen zu helfen, sich selbst richtig einzuschätzen. Ansonsten würden, so Bohne, die Kinder von der Wirklichkeit erzogen, und: „Die Wirklichkeit ist gnadenlos“.

Datum: 15.08.2003
Autor: Fritz Imhof
Quelle: SSF

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